: Allzweckwaffe der Genossen
Die Potsdamer PDS-Abgeordnete Kaiser-Nicht, früher IM, soll den Verfassungsschutz kontrollieren
von PHILIPP GESSLER
Der zackige Exgeneral weiß, wo der Iwan steht: „Wenn ich Sie irritiert habe, bin ich nicht beunruhigt. Solange ich Sie nicht irritiere, mache ich vielleicht etwas falsch“, konterte Jörg Schönbohm vorgestern eine Frage der Abgeordneten Kerstin Kaiser-Nicht im Landtag von Postdam: Die Volksvertreterin von der PDS irritiert derzeit in der Mark einige, seitdem die Partei die 40-Jährige als Kandidatin für ihren Sitz in der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) vorschlug, wo der Verfassungsschutz des Landes überwacht wird. Das hat einen Beigeschmack: Als „IM Kathrin“ hat Kaiser-Nicht Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre für die Staatssicherheit gespitzelt – wird der Bock zum Gärtner gemacht?
Solche Fragen sind im Reich von SPD-Landesvater Manfred Stolpe, den die Stasi als „IM Sekretär“ führte, nicht so leicht zu beantworten. Und Kaiser-Nicht ist zugute zu halten, dass sie ihre frühere Tätigkeit nicht verschweigt: Als Russischstudentin in Leningrad horchte sie ihre Kommilitonen für das MfS aus, rapportierte an die Diener Erich Mielkes, wer da mit wem, wer eine Westjeans trug, wer womöglich allzu kritisch dachte – alles unappetitliche Dinge, heißt es von kritischen Kennern der Szene, aber nichts, was Biografien gebrochen hätte.
Tatsache bleibt: Die Diplomslawistin machte zunächst per Parteibuch Karriere, war bis zur Wende Lehrerin in der Sprachintensivausbildung der Parteischule beim ZK der SED und machte Anfang der 90er-Jahre als Vizechefin der PDS auf Bundesebene Politik. Zwar wurde sie 1994 für ihre Partei in den Bundestag gewählt, legte aber wenig später auf Drängen ihrer Genossen das Mandat nieder, als ihre Stasiverwicklung erstmals ruchbar wurde.
Sie fing wieder fast von vorne an, arbeitete als wissenschaftliche Mitarbeiterin der PDS-Fraktion in Potsdam, machte die Ochsentour über zwei Kreistage und errang bei der Landtagswahl 1999 das Direktmandat im Wahlkreis 16, einer PDS-Hochburg im Raum Strausberg. Seitdem profilierte sich die vierfache Mutter in ihrer Fraktion als Familienpolitik-Expertin. Anfang des Jahres wurde sie zur innenpolitischen Sprecherin geadelt.
Trotz der Attacken der Springer-Presse (Bild: „Stasi-Spitzel soll Geheimdienst kontrollieren“) stehen ihre Karten recht gut, in die PKK zu kommen: Nur die CDU ist klar dagegen; ihr Koalitionspartner SPD hält Kaiser-Nicht für tragbar – und die DVU wird schlicht ignoriert. Die Zeiten für Politiker mit Vergangenheit sind gar nicht so schlecht.
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