: Aussteiger auf der Flucht
Nach massiven Drohungen aus der rechten Szene flieht Exneonazi Ingo Hasselbach ins Ausland
von LUKAS WALLRAFF
Wo sich Ingo Hasselbach im Moment aufhält, wissen nur wenige. Und die es wissen, wollen es aus guten Gründen nicht laut sagen. Der ehemalige Neonazi Ingo Hasselbach, der sich schon 1993 von der rechtsradikalen Szene losgesagt hatte, ist Anfang der Woche untergetaucht.
Zuvor hatte Hasselbach telefonische Drohungen erhalten. „Wir haben die Information, dass Ingo Hasselbach für unbestimmte Zeit ins Ausland geht“, sagte gestern eine Sprecherin des Berliner Aufbau-Verlags, der in den nächsten Tagen eine aktualisierte Neuauflage von Hasselbachs Buch „Die Abrechnung“ herausbringt. Auch in den Verlagsbüros hätten sich mehrmals anonyme Anrufer gemeldet, die sich als „Aktionskommando Horst Wessel“ vorstellten, „Sieg Heil!“ riefen und drohten: „Die Aktionswochen gegen Ingo Hasselbach haben begonnen.“
Der Aufbau-Verlag will sich nicht einschüchtern lassen und „keinen Millimeter zurückgehen“. Doch bei der Buchpräsentation wird Hasselbach fehlen. Auch bei der Auftaktveranstaltung der Konzertreihe „Rock gegen rechte Gewalt“ mit Udo Lindenberg am Sonntag in Dresden wird er nicht dabei sein. Eigentlich wollte der 34-Jährige dort im Rahmenprogramm auftreten, über die Arbeit des Aussteigerprogramms „Exit“ berichten und für Fragen zur Verfügung stehen – eben Aufklärungsarbeit leisten, so wie er das seit Jahren macht, mit Büchern, in Interviews und bei Besuchen in Schulen.
Die Drohungen, die Hasselbach Anfang der Woche auf seinem Handy erhalten hat, müssen offenbar noch konkreter und beängstigender gewesen sein als das, was er ohnehin seit Jahren gewohnt ist: „Bombendrohungen bei jedem öffentlichen Auftritt, Störungen bei Lesungen, Druck auf meine Familie“, so beschrieb Hasselbach bei einem Online-Chat der taz-Initiative „Zett“ den Dauerzustand seit seinem Ausstieg 1993. Leute, die Hasselbach gut kennen, vermuten nun, dass sein öffentlicher Auftritt bei der Pressekonferenz von „Rock gegen rechte Gewalt“ am Dienstag vergangener Woche in Berlin der Auslöser für die neuesten, massiven Drohungen gewesen sein könnte.
Bei der Pressekonferenz habe er noch „ziemlich gelassen gewirkt“, berichtet Konzertkoordinator Arno Köster, „nun, nachdem auch Frau und Kind bedroht wurden, musste er uns absagen“. Hasselbach hat einen vier Monate alten Sohn. Bei dem Online-Chat am vergangenen Donnerstag schrieb Hasselbach: „Angst, sicherlich ist da Angst, aber mehr um meine Familie, mich selbst erwischt man nur sehr schwer.“
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