Biedenkopf hat sich verrechnet

Mit der Entlassung Milbradts wollte Sachsens Regierungschef seine Position stärken. Das Gegenteil ist der Fall

BERLIN taz ■ Thomas de Maizière ist seit heute offiziell neuer Finanzminister Sachsens. Nicht einmal 24 Stunden nach Kurt Biedenkopfs Handstreich gegen Vorgänger Georg Milbradt erhielt der Cousin des letzten DDR-Ministerpräsidenten gestern seine Berufungsurkunde. Der in Bonn geborene Thomas de Maizière hatte sich bereits als Chef der Staatskanzlei und Koordinator der ostdeutschen Bemühungen um den Solidarpakt II in die Finanzpolitik eingearbeitet.

Biedenkopf, der mit seiner Personalpolitik eigentlich seine Position stärken wollte, hat genau das Gegenteil erreicht. In einer bislang noch nie da gewesenen Art macht ein Teil der sächsischen Union offen Front gegen den Ministerpräsidenten. In ihrer ersten Empörung fiel bei einigen CDU-Landtagsabgeordneten das Wort vom „Misstrauensantrag gegen den eigenen Ministerpräsidenten“.

Landesvize Heinz Eggert erklärte: „Wer die Entlassung Milbradts als klugen Schritt empfindet, kann nur von politischer Ahnungslosigkeit geplagt sein.“ Landtagspräsident Erich Iltgen, bislang Biedenkopf treu ergeben, erklärte, die Entlassung sei ein „einmaliger Vorgang in der Geschichte der sächischen CDU“. Eine Landtagsabgeordnete sprach von Zuständen, die „nahe an einer Spaltung sind.“ Etliche Kabinettsmitglieder, die bislang unter Milbradts Sparpolitik zu leiden hatten, ergriffen nun Partei für ihn.

Steffen Heitmann, im Spätsommer entlassener Justizminister, hinderte Biedenkopf mit den Worten „Sie bleiben jetzt hier“ am vorzeitigen Verlassen einer Fraktionssitzung. Dann bezeichnete Heitmann Biedenkopfs Schritt als „Fehler für beide“ – für den Ministerpräsidenten und für das Land.

Auch sächsische Bundestagsabgeordnete schalteten sich gestern in die Diskussion ein. „Schlichtweg falsch“, nannte etwa Ulrich Klinkert Biedenkopfs Schachzug. „Ich bin froh, dass Milbradt sein Landtagsmandat behält und stellvertretender Landesvorsitzender bleibt.“ Mit Blick auf den nächsten Parteitag im März erklärte er, Milbradt habe gerade jetzt gute Chancen, ein führender Kopf in der Sachsen-CDU zu werden. Eggert wurde deutlicher: „Wer Nachfolger von Biedenkopf wird, entscheidet jetzt die Union. Und nicht mehr die Staatskanzlei.“

Folgerichtig sieht der CDU-Generalsekretär Frank Kupfer auf seinen Landesverband unruhige Zeiten zukommen. Mit Blick auf die bevorstehende Wahl der Landräte und Bürgermeister hätten die Leute schon Befürchtungen, dass ihre Wahlchancen jetzt geschmälert seien, so Kupfer.

„Man muss jetzt ehrlich zugeben, dass sich die sächsische Union in einer Krise befindet“, widersprach der Bundestagsabgeordnete Arnold Vaatz anders lautenden Einschätzungen aus der CDU. „Ich weiß nicht, wie das mit der gegenwärtigen Führungsstruktur zu bewältigen ist.“ Der Regierungschef habe kein einziges fachliches Argument gegen seinen Minister vorbringen können, betonte Vaatz. Milbradt sei seiner Auffassung nach entlassen worden, „weil er besonders gut war“. Vaaz: „Wenn solche Art von Eifersucht künftig Auswahlkriterien sind, sehe ich schwarz.“ NICK REIMER