Strafstoß gegen Frank Pagelsdorf

■ HSV-Trainer kommt in die Kritik der Medien. Rückendeckung von Aufsichtsrat und Vorstand

Vor kurzem war er noch der große Held, doch nun hat scheinbar ein Kesseltreiben gegen Frank Pagelsdorf begonnen. „Man könnte in der Tat meinen, dass bewusst versucht wird, Stimmung zu machen“, meinte der Trainer des Hamburger SV. Drei Tage nach der bitteren 1:2-Heimniederlage gegen Hertha BSC Berlin veranstaltete die NDR-Hamburg Welle, 90,3 eine TED-Umfrage über die Zukunft des Fußball-Trainers – und die Moderatoren wunderten sich später über das fast ausgeglichene Ergebnis. 44,3 Prozent von über 1000 Hörern waren dafür, dass Pagelsdorf bleibt.

Tags zuvor wurde in den Zeitungen der Hansestadt kräftig gewettert. Die „Kritik an Pagelsdorf wächst“, titelte das Hamburger Abendblatt. Die Bild legte dem 42-Jährigen, der seit Juli 1997 den letzten Bundesliga-Dino trainiert, nahe, sich „spätestens jetzt selbst in Frage zu stellen“. Der Boulevard-Rivale, die Morgenpost, forderte nach neun Pleiten in zehn Pflichtspielen klipp und klar: „HSV-Fans sauer: Pagelsdorf muss weg!“

Schützenhilfe für den in der Kritik stehenden Coach, dessen Vertrag erst vor neun Monaten vorzeitig bis 2004 verlängert worden war, gab es in dieser Woche vom Aufsichtsratsvorsitzenden Udo Bandow: „Wir haben den erfolgreichsten Trainer seit Ernst Happel. Wir stehen alle voll und ganz hinter ihm.“ Auch deshalb bleibt der Gescholtene in diesen für ihn turbulenten Tagen bemerkenswert ruhig: „In Deutschland ist es modern, über den Trainer zu diskutieren. Ich beklage mich nicht, dass die Trainer-Frage gestellt wird. Das gehört dazu, wenn der erwartete Erfolg ausbleibt. Druck ist für einen Trainer immer da.“

Aus der Ruhe schöpft Pagelsdorf Kraft: „Ich versuche mich voll und ganz auf die Arbeit zu konzentrieren. Ich arbeite nicht schlechter als früher.“ In Hamburg erlebt der Trainer eine solch kritische Situation schon zum dritten Mal. Im Februar 1998 trug der HSV die Rote Laterne. Im März 1999 saß er im Büro von Werner Hackmann, wäre fast gefeuert worden. „Zum Glück haben wir damals die Ruhe bewahrt“, blickt Clubchef Hackmann heute zurück. Nach der Krise stürmte der HSV als Bundesliga-Dritter sogar bis in die Champions League.

Doch vor den letzten 15 Bundesliga-Spielen trennt die Hanseaten nur ein einziges Pünktchen von einem Abstiegsplatz. Gegen Hertha BSC spielte Pagelsdorf erstmals wieder mit nur zwei Spitzen. Selbst Uwe Seeler, der in seiner Zeit als HSV-Chef Pagelsdorf holte, meinte: „Das System mit drei Spitzen hat mir besser gefallen.“ Im Weserstadion bei Werder Bremen (morgen, 15.30 Uhr) will Pagelsdorf wieder zum altbewährten System zurückkehren. Wenigstens gibt es auch eine gute Nachricht: Der verletzte Nico Kovac wird in Bremen wohl ins HSV-Team zurückkehren. Fehlen wird dagegen nicht nur morgen Rodolfo Esteban Cardoso. Das DFB-Sportgericht will ihn nach seiner Roten Karte vom Hertha-Spiel für drei Partien sperren.

Volker Gundrum