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Halber Gruß für die Schwarzgekleideten

Gemäßigter Aufbruch: Shirin Neshats Video- und Sound-Installation in der Kunsthalle  ■ Von Christian T. Schön

Innerhalb von nur sieben Jahren ist die iranische Künstlerin Shirin Neshat zu einem der Shooting-Stars der Kunstszene geworden. 1957 im Iran geboren, 1974 zum Kunststudium nach Kalifornien gegangen, kam sie nach sechzehn Jahren erstmals wieder in den Iran. Heute lebt sie in New York. Von der strengen Form des Islams, die Chomainis Revolution 1979 ins Land getragen hat und die so radikal der persischen Kultur ihrer Jugend widerspricht, war Neshat so scho-ckiert, dass sie begann, sich in symbolhaft-ornamentalen Fotografien und modernen Videoarbeiten mit der neuen Gesellschaft in ihrem Heimatland auseinanderzusetzen; die Werke sind derzeit in der Kunsthalle zu sehen.

Für Shirin Neshat stellte sich damals die Frage: Anklagen und damit das Bedürfnis der westlichen Gesellschaft nach Provokation und Protest befriedigen? Oder „den Rahmen der sozialen, kulturellen und religiösen Codes“ der islamischen Welt nicht verlassen und „nicht an den gegebenen Schranken rütteln“ (Neshat)?

Shirin Neshat hat sich entschieden, mittels einer dem traditionellen iranischen Film, Orson Welles und Alfred Hitchcock verhafteten Filmsprache Bilder zu produzieren, die Fortschritt und Aufklärung propagieren. Für Kamera, Musik und Produktion arbeitet sie mit iranischen Filmleuten und Darstellern zusammen.

In Turbulent (1998, 10 min) betritt ein Sänger ein Auditorium, um vor männlichem Publikum ein traditionelles Sufi-Liebeslied zu singen. Ihm auf einer zweiten Videoleinwand gegenüber steht – schweigend – eine schwarz gekleidete Frau vor leeren Sitzplätzen, die ihm den Rücken zukehrt. Erst als der Sänger endet und Applaus erntet, beginnt sie einen stürmischen Gesang ohne Worte (Darstellerin, Gesang und Komposition: Shahram Nazeri) und wird von eben jener Kamera umkreist, die den Sänger zuvor nur starr von vorne gezeigt hatte.

Zu Dialogen und Blickwechseln kommt es in Rapture (Entzücken, 1999, 13 min). Auf zwei Bildflächen stehen einander gegenüber: eine Gruppe Männer, die sich in einer verlassenen Festung zur rituellen Waschung versammeln, und eine Gruppe Frauen, die durch die karge Landschaft ans Meer ziehen, um in einem kleinen Boot in See zu stechen. Am Ende winken die Männer den Frauen am Ende von den Zinnen der Burg zu (oder nach) – zur Verwirrung des Betrachters: Begrüßen sie etwa den symbolischen Schritt in die Freiheit?

Ihre künstlerischen Darstel-lungsformen beschränkt Shirin Neshat auf ein Minimum. Mit ihren Doppelprojektionen erzeugt sie Polaritäten, ohne zu polarisieren: Die schwarzen Tücher (der Frauen) werden gegen die weißen Hemden (der Männer) gestellt, Gemeinschaft gegen Individuum, geomet-rische Formen gegen freie Formationen, Starre gegen Bewegung, Architektur gegen Wüste. Doch schließlich hebt das dritte und jüngs-te Werk der Trilogie, Fervor (Inbrunst, 2000, 10 min), die Dichotomie teilweise auf: Durch Spiegelungen und Symmetrien der Bilder erzeugt Neshat Irritationen bezüglich der gesellschaftlichen Trennung von Männern und Frauen: Obwohl die patriarchischen Verhaltensregeln nur für Frauen in der Öffentlichkeit gelten, trifft die dadurch verhinderte Liebe natürlich Mann und Frau, die sich im Film auf einer Landstraße zufällig begegnen und scheu anblicken, gleichermaßen.

Shirin Neshats Filme beschwören einen vorsichtigen Optimismus; immer sind es Frauen, die Bewegung in die Bilder bringen, um die sich die Kamera dreht, die aufstehen und weggehen. Sie formuliert ein Bild von Frauen in der islamischen Gesellschaft, die sich mit Tschador verhüllen und trotzdem frei sind und selbstbewusst auftreten – während sich in Deutschland die Integrationsdiskussion oftmals ausschließlich um eben dieses Kleidungsstück dreht. Doch solange Neshats Filme nicht im Iran zu sehen sind, wird eine öffentliche Diskussion darüber wohl der westlichen Welt vorbehalten bleiben.

Bis 8. April, Hamburger Kunsthalle, Katalog 28 Mark

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