: Keine schöne Zukunft
Der Dokumentarfilm „Mord im Kolonialstil“ erzählt die blutige Geschichte des Mordes an Kongo-Ministerpräsident Lumumba (So, 21 Uhr, WDR)
„Wir haben die Körper in Stücke geschnitten. Der größte Teil wurde in Salzsäure aufgelöst, den Rest haben wird verbrannt.“ Gerard Soete, ein belgischer Polizeikomissar, berichtet in Thomas Giefers Dokumentarfilm von der Ermordung des ersten Ministerpräsidenten des unabhängigen Kongo, Patrice Lumumba, und zweier seiner Minister. Der Film, der für den Grimme-Preis nominiert ist, läuft in der WDR-Reihe „Politische Morde“.
Die Ermordung Lumumbas am 17. Januar 1961 prägte wie kein anderes Ereignis die Geschichte des modernen Kongo. Die Tat wurde von westlichen Geheimdiensten in Auftrag gegeben und auf einer Waldlichtung nahe einer entlegenen Straße ausgeführt. Gerard Soete kümmerte sich um die Spurenbeseitigung.
Die Amtszeit Lumumbas dauerte nur drei Monate und war vom ersten Tag an geprägt von innerem Zwist und der Abspaltung ganzer Landesteile, meist unter Mitwirkung der alten Kolonialmächte. Fatal ist die Sezession der reichsten Region, Katanga, unter Moise Tschombé, der von Belgien massiv unterstützt wird. Vergeblich bittet Lumumba die USA und die UNO um Hilfe. Als er schließlich sowjetische Unterstützung für die Niederschlagung der Sezession annimmt, ist sein Schicksal besiegelt.
Der unabhängige Politiker gilt fortan als Kommunist und wird auf die Todeslisten der CIA und des belgischen Geheimdienstes gesetzt. Von seinem Konkurrenten Kasavubu abgesetzt, wird er vom ehemaligen Mitstreiter Joseph-Désiré Mobutu, dem späteren Diktator, gefangen genommen und an Tschombé ausgeliefert. Vor den Augen der betrunkenen Kabinettsmitglieder von Katanga wird er schließlich ermordet.
Der Film lebt von Interviews und historischen Aufnahmen. Zu den Zeitzeugen gehören neben Gerard Soete auch Larry Devlin vom CIA und Lumumbas Kinder. Er zeigt Auszüge aus der damaligen Wochenschau mit Sätzen wie „Weiße fliehen vor der Wut des aufgebrachten Pöbels“. Und einzelne Zeitzeugen äußern sich offen rassistisch zu Lumumba.
Damit hebt sich der Film positiv von einem kürzlich in der BBC gesendetem Beitrag ab, in denen Szenen zum Teil recht effektheischend nachgestellt wurden. Beide Filme zeigen jedoch die unvergesslichen Aufnahmen, in denen der gefesselte Lumumba vor den Augen der internationalen Presse, die extra einbestellt wird, von Mobutus Soldateska geschlagen und erniedrigt wird. Bilder, die sich einprägen.
Wenn erst jetzt die Umstände der Ermordung Lumumbas zum Thema mehrerer Filme werden, so liegt das an einem 1999 erschienen Buch des belgischen Soziologen Ludo De Witte, der konkrete Hinweise auf die belgische Mitverantworung geliefert hat. In Zuge der folgenden öffentlichen Debatte wurde in Belgien eine parlamentarische Untersuchungskomission eingerichtet, die im März ihren Bericht vorlegen soll. Bis heute ist keiner der Mörder oder Hintermänner je zur Rechenschaft gezogen worden.
Im letzten Brief an seine Familie schrieb Lumumba über seine Kinder: „Sagt ihnen, dass die Zukunft des Kongo schön sein wird.“ Diese Hoffnung ging nicht in Erfüllung. Nach Jahrzehnten der Mobutu-Diktatur ist der Kongo jetzt Schauplatz eines regionalen Krieges. Am 17. Januar, genau vierzig Jahre nach dem Tod Lumumbas, wurde Präsident Laurent Kabila erschossen. Zufall? BEATE SEEL
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