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Satansgrüße aus dem Feuchtbiotop

Halloween das ganze Jahr, denn Rauslassen muss ja sein: Die Crossoverband Slipknot spielte in der Arena. Einer im Publikum trug Gasmaske

Ein Konzert von Slipknot ist nicht nur eine Erfahrung für Ohren und Augen. Wenn man allzu nahe an der Bühne steht, sind die Auswürfe zu riechen, zu fühlen und schlimmstenfalls gar zu schmecken. Schon nach wenigen Sekunden fließen unter den Gummimasken Schweiß, Spucke und Rotze in Strömen, und Teile davon landen leicht im Publikum. Slipknot sind in der Stadt, und es wird feucht.

Vor ungefähr zehn Jahren gingen neun Männer aus Des Moines, Iowa, in den nächsten Halloween-Shop, kauften sich Masken von Clown bis Leatherface und machten sich auf den Weg, die Welt zu erschrecken. Auf den Heavy-Metal-Mummenschanz, mit dem Slipknot nun seit drei Jahren extrem erfolgreich sind, können sich sehr unterschiedliche Zielgruppen einigen.

In der Arena fanden Altrocker und picklige 14-Jährige zusammen, Nachwuchs-Nerds und Überzeugungs-Prolls, langhaarige Death-Metal-Fans und sorgsam rasierte Skinheads, Punks und Studenten. Nur Frauen wurden kaum gesichtet. Die Bekenner-T-Shirts reichten von Korn bis Sick Of It All, von Exploited bis Slayer und Marylin Manson. Einige sehr junge Menschen hatten sich gar geschminkt, um ihren Helden zu gleichen, und einer trug auch eine Gasmaske.

Slipknot lassen noch einmal den Crossover zwischen Punk, Hardcore und Metal aufleben, der in den frühen 90er-Jahren mit Death und Thrash Metal zum letzten kreativen Aufstand in der Krachmacherstraße geführt hatte. Mit ihren Masken und rüpelhaftem Benehmen schaffen sie es tatsächlich, dieses alte Konzept zur unterhaltsamen Zirkus-Nummer aufzumotzen. In der Metal-Szene werden Spielchen mit satanistischer Symbolik, faschistischer Ästhetik und Weltuntergangsszenarios zwar eher gelangweilt durchgewinkt, Slipknot aber sorgten für ein wenig Entrüstung. Der Trick: Sie verweigern einen Großteil der üblichen Kommunikation und lassen ihr Image so clever uneindeutig. Dafür verantwortlich ist der Comedy-Aspekt in der Tradition von Kiss und sogar ein Hauch von Avantgarde, an die das uniforme Auftreten in von 0 bis 8 durchnummerierten Overalls gemahnt.

Auch musikalisch gestalten Slipknot das in der Branche übliche Gekreische und Geboller überraschend abwechslungsreich: Zwei zusätzliche Trommler sorgen dafür, dass es kaum eine moderne Metal-Band geben dürfte, die gleichzeitig so brutal und differenziert daherbrettert.

So denn auch der Auftritt. Kaum wird ein Display enthüllt, auf dem später die satanischen Zahlen „666“ aufleuchten werden, recken sich dutzende von Händen mit ausgestrecktem Zeige- und kleinem Finger. Der eine oder andere brüllt sogar „Satan“ und grinst breit. So richtig ernst scheint sich hier niemand zu nehmen. Man möge doch, so Slipknot-Obergröhler Corey Taylor mit der Nummer „8“ auf dem Overall, gefälligst „some fuckin’ noise“ machen, dann würden wir auch bestimmt „some fun“ haben. Wenn nicht, ist das verfickt noch mal unser Problem. Die Antwort: hunderte von Satansgrüßen.

Die Arena mag am Freitagabend nur zu einem Drittel gefüllt sein, aber von den Anwesenden betätigt sich mehr als die Hälfte im Moshpit. Dort geht es fröhlich auf und ab, eher mit- als gegeneinander. Nummer acht redet uns zwar mit tief grollender Stimme ins Gewissen, „Sickness“ sei nicht nur ein Wort, sondern ein fuckin’ Geisteszustand, die Atmosphäre ist trotzdem sehr entspannt. Vor dem Konzert bereits hatte ein junges Liebespaar gegenseitig Erinnerungsschnappschüsse von sich vor der Bühne geschossen. So kann man dereinst den Enkeln beweisen, dass man mal Slipknot gesehen hat. Und wie lustig es war beim Mummenschanz.

THOMAS WINKLER

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