piwik no script img

Lederjacke und Schalmei

Seit dem Wochenende kann man im Gropiusbau in der Ausstellung „Mauersprünge“ sehen, wie Künstler schon vor 1989 Brücken zwischen Ost und West geschlagen haben

Den deutsch-deutschen Kulturbeziehungen im Kalten Krieg und ihrer Rolle auf dem Weg zur Wiedervereinigung spürt die Ausstellung „Mauersprünge“ nach, die seit Samstag in Berlin zu sehen ist. Zu den Exponaten gehört die Lederjacke, die Udo Lindenberg 1987 DDR-Staatschef Erich Honecker schenkte, und die Schalmei, mit der sich Honecker revanchierte. Die Ausstellung des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig und der Bundeszentrale für politische Bildung steht unter dem Patronat von Bundespräsident Johannes Rau.

Der Dialog der Künstler habe zur „Unterminierung des Systems“ beigetragen und die Ost-West-Beziehungen unterhalb der politischen Ebene gestärkt, sagte der Direktor des Forums, Rainer Eckart. Namhafte Personen aus Literatur, Kunst, Theater, Film und Musik haben Exponate zur Verfügung gestellt. Eingebettet in den historisch-politischen Kontext zeigten sie das breite Spektrum der kulturellen Verbindungen im geteilten Deutschland, sagte Schäfer. „Im schnelllebigen Medienzeitalter müssen wir für die junge Generation deutsche Geschichte lebendig erhalten.“ Zu den Ausstellungsstücken gehört auch ein Kunstobjekt aus Fanbriefen an den Bandleader Wolfgang Niedecken der Kölner Gruppe BAP. Er bekam sie 1984 nach Absage eines DDR-Konzerts. Die Tournee kam nicht zustande, da die Band nicht auf kritische Lieder verzichten wollte.

Erst 1986, 14 Jahre nach dem Grundlagenvertrag, kam es zu einem Kulturabkommen zwischen der Bundesrepublik und der DDR. Doch schon vorher hatten Künstler aus Ost und West persönliche Verbindungen geknüpft. Die SED beobachtete solche Kontakte misstrauisch. Ihre Politik hatte seit der Ausbürgerung Biermanns 1976 zu einem Exodus geführt: Über 350 Schauspieler, Schriftsteller und bildende Künstler verließen nach Angaben der Ausstellungsmacher in den Folgejahren die DDR. Sie bereicherten das kulturelle Leben in der Bundesrepublik, viele schafften eine neue Karriere.

„Mauersprünge“ mache die Vielfalt kultureller Anregungen und Bereicherung zwischen Ost und West sichtbar, die nach 1989 durch einseitige Betrachtungen und strittige Diskussionen um den Wert des künstlerischen Nachlasses der DDR fast schon vergessen seien, sagte Schäfer. Damit wolle die Ausstellung zu einer „gesamtdeutschen Perspektive“ beitragen. AP

Die Ausstellung ist vom 15. März bis zum 4. Mai im Gropius-Bau zu sehen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen