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: Die letzte Zigarette: Italo Svevos Roman „Zeno Cosini“ erscheint als Hörbuch

Mein Leben ist nie ohne Sucht gewesen

Als Raucherin, die nicht mehr rauchen will, kann man seiner Umgebung mit Erfahrungsberichten von Abstinenzversuchen ordentlich auf den Wecker fallen. Manche Freunde behaupten dann sogar, es sei nicht der Tabak, nach dem man giere, sondern die Dramatik, die die Sucht dem Leben verleihen soll, eine übrigens – glücklicherweise nur von außen betrachtet – eher komische als tragische Dramatik.

Diesen Verdacht erhärtet jedenfalls Italo Svevos vor Ironie funkelnder Roman „Zeno Cosini“. Zeno kann man wohl als Erfinder und leidenschaftlichen Verfechter der „letzten Zigarette“ bezeichnen (eine Position, die ihm allenfalls Mark Twain streitig machen könnte: „Das Rauchen aufgeben? Nichts leichter als das – hab ich schon hundertmal gemacht!“). Mehr noch. Die letzte Zigarette, in Zenos Tagebuch routiniert als „L. Z.“ abgekürzt, und der mit ihr verbundene und auf immer uneingelöste Vorsatz, ein besserer, glücklicherer und unsterblicherer Mensch zu werden, gehören zum Lebensmotor dieses paradigmatischen Antihelden der Moderne.

Seit einiger Zeit scheint ein kleines Zeno-Revival im Gange. Neue Auflagen von Zeno Cosini, aber auch von „Die Kunst, sich das Rauchen nicht abzugewöhnen“ erschienen, im vergangenen Jahr zeigte William Kentridges südafrikanische Handspring Puppet Company „The Confessions of Zeno“ als Bühnenstück, und nun hat der Hörverlag „Zenos Gewissen“ in einer intelligent komprimierten Bearbeitung von Norbert Schaeffer herausgebracht. Gerd Baltus liest den Ich-Erzähler Zeno weich, distinguiert und mit wunderbar ironisch-schwärmerischen Schnörkeln, unterbrochen von Repliken der Nebenfiguren, die gelegentlich kurze Szenen anspielen und mit berühmten Schauspielern wie Fritzi Haberlandt, Elisabeth Schwarz und Peter Kurth besetzt sind. Nebenher zündeln Streichhölzer, schlagen Türen, tropft Regen oder werden zähe Etüden auf der Geige gespielt, mal wie von fern, mal so dicht und vergrößert, als habe jemand die Tonspur unters Mikroskop gelegt. Das nervt ein bisschen, weil es offensichtlich plastisch auf ein marode-dekadentes Triest der Jahrhundertwende hin stimmen will.

Zeno ist schließlich beinah zeitgenössisch. Der Roman handelt von einem saturierten Langweiler und bürgerlichen Hypochonder, der ebenso von der Einsicht in seine Schwächen erfüllt ist wie von der Liebe zu seinen Illusionen. Entsprechend raffiniert hat Svevo ihn als Lebensbeichte konzipiert, die der Patient für seinen Analytiker schreibt. Zunächst scheint alles komisch und ödipuskomplex dahinzuschnurren. Zeno glaubt sich schuldig am Tod des Vaters, heiratet die Schwester der Frau, die er zu lieben glaubt, von schlechtem Gewissen erfüllt besucht er eine Geliebte, die ihn nicht liebt. Bis er feststellt, dass er durchaus Talente besitzt, nämlich jene, durch Passivität unschuldig schuldig zu werden und von seinen Neurosen zu profitieren. So verhilft er seinem Schwager und Rivalen Guido zum versehentlich erfolgreichen Selbstmord. Und wird zufrieden mit dem, was er nicht hat. „Mein Leben ist nie ohne Sehnsucht gewesen“, schreibt er, und: „Der Mensch wird immer klüger und immer schwächer.“

Schöne Sätze! Es ist das Giftgasjahr 1916 und das Ende der (Psycho-)Analyse, die vielleicht nur eine säkulare Variante des Christentums war. Jedenfalls für Zeno, der mit den besten Vorsätzen weiterraucht. Während man selbst mittlerweile Nichtraucherin geworden, aber selbstverständlich süchtig geblieben ist. EVA BEHRENDT

Italo Svevo: „Zenos Gewissen“. 2 CDs.Hörverlag, Hamburg 2003. 150 Min.,21,90 €