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Der Bundeshaushalt – ein Zebrastreifen

Die Opposition höhnt über den Wackel-Etat 2003. Die Rot-Grünen wollen, trotz nahenden Krieges, „den Job machen“

BERLIN taz ■ Zu beneiden sind sie nicht, die 603 Abgeordneten, die ab heute die Verabschiedung des Bundeshaushalts 2003 diskutieren. Am Freitag soll der Etat Gesetz sein, der der Regierung 248 Milliarden Euro an Ausgaben und 19 Milliarden Euro neuer Schulden erlaubt.

Aber was weiß man schon, angesichts von nahendem Krieg, Konjunktur und Arbeitslosigkeit, wie sich die Finanzkennziffern 2003 entwickeln? „Wir können jetzt nicht die Budgetberatungen einstellen, um zu beten oder zu demonstrieren“, sagt die grüne Vorsitzende des Finanzausschusses, Christine Scheel, „wir müssen unseren Job machen – so schwer das fällt.“

Die Opposition wittert Morgenluft. Sie sehen die Unsicherheit nicht im Krieg (siehe Aufmacher), sondern im Schlingerkurs von Rot-Grün. „Wir haben schon vor Wochen verlangt“, höhnt der FDP-Haushaltspolitiker Jürgen Koppelin, „dass der Finanzminister gefälligst ein Zahlenwerk vorlegt, das den Tatsachen entspricht.“ Koppelin mag gar nicht aufhören mit dem Schimpfen: Die Steuereinnahmen seien falsch prognostiziert, die Konjunktur auch, und die Arbeitslosen ein unterschätztes Risiko. „Man muss diesen Haushalt wie einen Zebrastreifen behandeln – ihn einfach übergehen“, spottet Koppelin über den dicken Wälzer, den die Saaldiener durch den Reichstag schleppen.

Koppelins schwerster Vorwurf lautet: Schattenhaushalt. Das heißt, viele Schulden stehen gar nicht drin im offiziellen Haushalt. Etwa das nigelnagelneue 15-Milliarden-Kreditprogramm. Ausgerechnet jene Regierung, deren erster Finanzminister Lafontaine die Nebenhaushalte Helmut Kohls auflöste, bastele sich schummrige Nebenetats.

Anja Hajduk (Grüne) sieht das anders: „Das ist kein Schattenhaushalt, sondern ein zinsvergünstigtes Programm der Kreditanstalt für Wiederaufbau – und der richtige Weg.“ Es koste 2003 nur 45 Millionen Euro, meint die Haushälterin, sei also besser, als Investitionen „voll auf Pump“ zu finanzieren: „Es wäre verantwortungslos, jetzt nicht mit dem Etat voranzuschreiten – aber bitte vorsichtig.“ Der Blick zum Nachbarn bestätigt sie: Die Franzosen haben gerade mitgeteilt, dass sie 2002 über die Drei-Prozent-Defizitgrenze hinausgeschossen sind. CHRISTIAN FÜLLER

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