: berliner szenen Spreewald-Tage
Das Würstchen nickt
Möglicherweise ist es eine Karotte. Gurke liegt noch im Bereich des Möglichen. Bei der Produktion des Kostüms müsste sich die Hersteller-Firma des Dings – Schaumstoff, von Stoff ummantelt – allerdings leicht vertan haben. Ein Gemüse sieht anders aus. Jedenfalls schlurft ein Etwas in anderthalbfacher Menschengröße und ausgeblichener Pastellfarbe durch das Park Center Treptow. Gerade noch plauderte es mit zwei Schichtarbeitern. Sie stecken am frühen Freitagnachmittag noch in ihren Monteursanzügen und erledigen Einkäufe fürs Wochenende. Nun stoppt das Ding bei einer jüngeren Frau mit Babywagen, beschriftetem T-Shirt und trainiertem Oberkörper. Auch dieser Neuköllnerin oder Treptowerin bietet es Speiseproben an. Denn, und darauf weist bereits ein Schild am Eingang hin, die Mall feiert „Spreewald-Tage im Park Center Treptow“.
Dekorative Riesenkürbisse, hochwertige Fleischprodukte und „Qualitätsware aus Gröditsch“ werden im Erdgeschoss feilgeboten. Besonders die Älteren betrachten sich ausgiebig die Ware. Am Wurststand bildet sich eine Schlange aus Weiß, Grau und Beige, so begehrt sind die Erzeugnisse aus dem Umland. Eine Spreewald-Produkt-Marketing-Expertin wittert Verkaufschancen. Ihre ornamentreiche Tracht gibt den Spreewald-Schlagern aus dem Soundsystem des Park Centers ein Gesicht. Prompt eilt sie zum Ding und schaltet ihr Mikro an. „Sehr geehrte Damen und Herren! Wir möchten Sie recht herzlich begrüßen zu den Spreewald-Tagen im Park Center Treptow. Bitte beachten Sie unser Spreewald-Würstchen. Es reicht Ihnen Spreewälder Köstlichkeiten.“ Die Nicht-Gurke, Nicht-Karotte, das Würstchen also nickt ihr zu. Heftig nickt es, übertrieben heftig. CHRISTOPH BRAUN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen