: RBB mit Sand im Getriebe
Beim Fusionssender kommt der Umbau nicht so recht voran. Die Intendantin profiliert sich bisher vor allem als Stasi-Jägerin. Das TV-Vorabendprogramm hat nun immerhin einen Namen: „Zibb“
von RAINER BRAUN
Der Amtsantritt der ersten Intendantin des Rundfunks Berlin Brandenburg (RBB) am 1. Mai dieses Jahres wurde als hoffnungsvolles Zeichen für die Hauptstadtregion gewertet. Die Geschäftsleitung der Fusionsanstalt wurde geräuschlos und im Rekordtempo installiert. Zügig trieb Dagmar Reim in den folgenden Wochen auch das Zusammenwachsen von Sender Freies Berlin (SFB) und Ostdeutschem Rundfunk Brandenburg (ORB) voran. Knapp fünf Monate nach Sendestart ist der Anfangselan verschwunden.
Im Fernsehbereich sind Entscheidungen überfällig, im Hörfunk hat das gemeinsame Kulturradio weder Namen noch konkretes Programm, obwohl es ab 1. Dezember starten soll. Als delikat mit Blick auf den Betriebsfrieden entwickelt sich auch die Ankündigung, im Zuge der Rosenholz-Dateien die einstigen SFB-Mitarbeiter auf Stasi-Tätigkeit zu durchleuchten.
Von der Anfangseuphorie ist zumindest im einstigen Frontstadtsender an der Berliner Masurenallee nicht viel übrig geblieben. Fühlten sich manche SFB-Mitarbeiter schon bei der Zusammenlegung der Geschäftsleitung über den Tisch gezogen, weil kein SFB-Kämpe der neuen Führungsriege des RBB angehört, so regt sich nun neuer Unmut. Die Intendantin habe in der Frage der Überprüfung auf frühere IM-Tätigkeit keinen Dialog mit der Mehrheit im Hause gesucht, beschwerte sich etwa ein ehemaliger Leiter der „Berliner Abendschau“. Zudem seien die rechtlichen Grundlagen und Folgen einer Durchleuchtung der Beschäftigten auf eventuelle Stasi-Zuarbeit nicht geklärt.
„Es gibt keine Möglichkeit, sich zu drücken“, ließ dagegen Intendantin Reim gegenüber einem privaten News-Kanal verlauten. Schließlich seien die ORB-Beschäftigten bereits zweimal durchleuchtet wurden, während das SFB-Personal bisher nie überprüft wurde.
Ob die Auswertung der Rosenholz-Dateien substanziell mehr bringt als Erkenntnisse über das Arbeitsethos der RBB-Journalisten, darf allerdings bezweifelt werden. Was strafrechtlich relevante Aspekte betrifft, konnte die Bundesanwaltschaft die Daten über West-IMs bekanntlich schon früh einsehen und gegebenenfalls Verfahren einleiten.
Der medienwirksame Eifer in der Stasiakten-Frage überrascht zumindest vor dem Hintergrund, dass der neue Sender auch noch ganze profane Probleme im Management hat. Außerordentlich schwer tut sich etwa Fernsehdirektor Gabriel Heim damit, notwendige Programm- und Personalentscheidungen zu treffen. Mitte November will das gemeinsame Dritte mit einem komplett reformierten Vorabendprogramm starten. Wie das im Einzelnen aussieht, bleibt trotz zahlloser Arbeitspapiere einstweilen nebulös.
Fest steht nur, dass parallel zu „Brandenburg aktuell“ für das einstige SFB-Flaggschiff „Berliner Abendschau“ eine Fensterlösung angeboten wird und das „Sandmännchen“ (künftig um 17:55 Uhr) weiterleben darf, nachdem eine Boulevardzeitung Heim als „Sandmännchen-Mörder“ geoutet hatte. Eine Injurie, die im Übrigen die RBB-Intendantin so erboste, dass sie ihrem Fernsehdirektor vehement zur Seite sprang und ernsthaft eine Beschwerde beim Presserat erwog.
Der komplett umgestaltete Vorabend selbst wurde dem RBB-Programmausschuss vergangene Woche als Gerüst ohne Details präsentiert und abgenickt. Zwar sind die Besetzung von Moderation und die konkreten Inhalte der Boulevardstrecke nach wie vor offen, dafür wartete Fernsehdirektor Heim mit einem originellen Namen auf: „ZIPP“ wird das neue Format heißen – „Zu Hause in Berlin-Brandenburg“ – was gleichermaßen bei Landpomeranzen wie Bulettenberlinern heimelige Gefühle aufkommen lassen dürfte.
Beistand in anderer Hinsicht braucht Heim offensichtlich auch bei der Besetzung der Leitungspersonals in seinem neuen Domizil in Babelsberg. Zwar sind die Bewerbungen für Chefredaktion wie Hauptabteilungen längst abgeschlossen, und die Zahl der KandidatInnen ist übersichtlich – entschieden wurde bisher aber leider nichts. Das lässt die Unruhe in den Bereichen wachsen, zumal auch Programmentscheidungen davon betroffen sind.
Die Fortsetzung des „Scheibenwischers“ nach Dieter Hildebrandts Gala am 2. Oktober wurde überraschend schnell geregelt: Mit bewährter Crew und Hildebrandt als Gast geht es im Januar weiter. Ungewiss ist aber weiterhin die Zukunft der populären „Satirefeste“. Da in diesem Jahr kein Geld mehr vorhanden ist, werden bis auf weiteres Konserven gesendet. Wie und wann das Format mit dem neuen Gastgeber Arnulf Rating (statt Volker Pispers) fortgeführt wird, steht in den Sternen über dem Tipi – dem künftigen Produktionsort der Satirefeste.
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