Große Skepsis

Das Gähnen vor den Wahlen zum Europäischen Parlament ist unberechtigt, findet SPD-Mann Bernd Lange

Hannover taz ■ Der Burgdorfer Umweltpolitiker Bernd Lange (Foto) vertritt die SPD seit 1994 im EU-Parlament.

taz: Was spüren Sie von der EU-Wahlmüdigkeit?Bernd Lange: Die Skepsis der Leute auf der Straße war noch nie so groß. Ich bemerke aber auch immer mehr Enthusiasmus bei denen, die sich wirklich mit Europa auseinandersetzen.

Was tun gegen das Desinteresse der Masse?Die Bedeutung des EP ist noch nicht überall angekommen. Das Böse kommt aus Brüssel, das Gute aus Hannover oder Berlin. Man muss überall erklären, dass hiesige Gesetze häufig auf EU-Beschlüssen fußen – mittlerweile zu 80 bis 90 Prozent. Beim Gen-Food ist nur wenigen klar, dass die Kennzeichnungspflicht sich auf Brüsseler Richtlinien gründet. Vor kurzem haben wir die Garantiefristen um ein halbes auf zwei Jahre verlängert. Hier hat sich die Justizministerin den Erfolg ans Revers geheftet.

Wirklich entscheiden können Sie eh’ nicht viel: Das EP kann von sich aus keine Gesetze erlassen, sondern nur per Initiative der Kommission.Wie viele Gesetze kommen aus der Mitte des Landtags? Das Initiativrecht spielt in der Praxis kaum eine Rolle: Kaum ein Entwurf aus der Kommission verlässt das Parlament, wie es reingekommen ist. Allerdings gibt es immer noch demokratiefreie Zonen: Bei der Landwirtschaft haben wir nur ein Anhörungsrecht, dafür gehen 43 Prozent des EU-Haushalts in diesen Bereich.

Eigentlich steht die große Mehrheit der 99 deutschen EU-Parlamentarier längst fest, weil der Wähler nur eine Liste, nicht aber beispielweise Bernd Lange ankreuzen kann. Parteifunktionäre entscheiden, wer ins EP kommt, nicht der Bürger.Richtig ist, dass Wähler keine Präferenz für einen bestimmten Politiker angeben können. Deshalb bin ich auch für ein Kombi-Wahlrecht wie in Finnland.

Ihre Europa-Erfolge?Ich habe mich unter anderem für Abgasvorschriften bei KFZ und Rasenmähern eingesetzt.

Rasenmäher. Wie spannend.Wussten Sie, dass ein Mäher früher 144-mal so viel Abgase emittieren durfte wie ein PKW?

Fragen: Kai Schöneberg