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Schwertransport light

Wenn es mal etwas mehr sein soll, empfiehlt sich neuerdings das „Gemini“. Obwohl als Stadtrad konzipiert, könnte es auch als Kinderwagen durchgehen. Oder als Flaggschiff für die Picknicktour

VON HELMUT DACHALE

Ein Velo-Van für drei Besatzungsmitglieder: ein Erwachsener, zwei Kinder. Da kann man ins Grübeln kommen. So was gilt eigentlich als überholt. Früher, in Dreigangzeiten, war ein derart beladenes, um nicht zu sagen: überladenes Fahrzeug körperliche Herausforderung. Nicht nur beim Anfahren. Auch das Lenken: höchst anstrengend. Zudem drohte Bruchgefahr. Verständlich, dass die Rad fahrende Kleinfamilie heute das Gespann bevorzugt. Vorne die Zugmaschine, besetzt mit einer erwachsenen Person, hinten zwei Kinder in den Schalensitzen des Anhängers, dazwischen eine tief liegende Deichsel mit Achskupplung.

Wer ein „Gemini“ hat, kann wieder abkuppeln, kann sich und den Kindern die größere Nähe gönnen. Sagt der Hersteller Riese und Müller, Spezialist für gefederte Fahrräder zu nicht niedrigen Preisen. Also alles wie gehabt? Kampf mit dem Übergewicht? Um Gottes willen, nein!, dürften jetzt der Markus Riese und der Heiko Müller, die beiden Geschäftsführer, unisono rufen. Sie haben sich schließlich so einiges einfallen lassen, um das Schwere leicht zu machen. Zu erst einmal zwei günstig angebrachte Gepäckaufnahmen: Die vordere befindet sich über der Lenkachse, die hintere sitzt auf dem in den Hauptrahmen integrierten Gepäckträger. Natürlich müssen in die beiden Adapterhalterungen nicht unbedingt Kindersitze eingeklinkt werden. Für das Picknick im Grünen langen auch zwei Körbe. So oder so: maximale Zuladung 40 Kilo.

Das Vehikel hat eine moderate Einheitsrahmenhöhe von 52 Zentimetern, die Laufradgröße beträgt nur 24 Zoll. Der Pilot sitzt aufrecht und kann dabei ohne Verrenkungen mit den Füßen den Boden erreichen. Das hat dem „Gemini“ das Gütesiegel der „Aktion Gesunder Rücken“ eingebracht. Ergonomie und Sicherheit scheinen im Übrigen an der gesamte Rahmen- und Lenkkonstruktion zu kleben: oberrohrfreies Gestänge, niedriger Durchstieg und dann noch die Anbringung der vorderen Gepäckaufnahme. Wird sie mit einem Kindersitz bestückt, befindet sich der oder die vordere Kleine in einer recht niedrigen Position zwischen den Lenkergriffen. Eine Platzierung, die die PR-Abteilung von Riese und Müller als „revolutionär“ bezeichnet. Immerhin: Das dürfte dem Lenken die Mühsal nehmen und dazu beitragen, das Velo ohne Kampf auf Linie zu halten. Was zu dritt auf dem guten alten Hollandrad schon anders aussehen würde.

Doch damit lässt sich ein „Gemini“ auch nur schwerlich vergleichen. Es ist vollgefedert, ausgestattet mit der neusten Errungenschaft von Shimano, der achtgängigen Nabenschaltung, dazu mit Halogenscheinwerfer und nachleuchtendem Rücklicht, um nur einige der Komponenten-Highlights zu erwähnen. Was das „Gemini“ vielleicht noch am ehesten mit anderen bulligen Typen gemein hat: die äußerst breite Bereifung („Schwalbe Big Apple“). Und das Gewicht! Laut Hersteller schlägt es mit 19,5 Kilo zu Buche.

Aber was sind diese paar Kilos schon gegen das, was noch dazukommen könnte. Werden dazu Kindersitze benötigt, sind die extra zu besorgen. Sie gehören selbstverständlich nicht zur serienmäßigen Ausstattung. Montiert ist lediglich ein Drahtkorb; Baguette und ein paar Weinflaschen fasst der ohne weiteres. Den zweiten Korb liefert Riese und Müller bereits als kostenpflichtiges Zubehörteil. Ebenso wie die Adapterplatten für die Kindersitze und einen Überrollbügel für den vorderen Infantenthron (mit Insekten- und Regenschutz).

Ohne jegliches Zubehör kostet das „Gemini“ 1.599 Euro (unverbindliche Preisempfehlung). Auch so eine Sache, die einem schwer zu denken geben könnte.

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