An der kurzen Leine der Minister

Ein neues Institut soll künftig die Qualität der deutschen Schulen fördern. Doch eine wirklich unabhängige Kontrolle wirdvon den Ressortchefs in den Ländern nicht gewünscht – anders als bei Pisa-Spitzenreitern wie Schweden oder Finnland

Auf den Fluren der Universitäten wird über das Institut bereits gespottet

VON CHRISTIAN FÜLLER

Am Ende zogen die 16 Kultusminister noch einen Notar zu Rate. Denn das neue „Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen“ (IQB), das Deutschlands Schulen ab 2005 grundlegend beobachten und entwickeln hilft, soll rechtlich auf festem Boden stehen. Schulpolitisch allerdings steht die vermeintliche Qualitätsagentur auf tönernen Füßen. Ihr fehlen ausreichende Finanzen, sie hat keine wissenschaftliche Unabhängigkeit – und sie ist ohnehin ein Instrument auf Abruf. Die Länder wollen das IQB nur für fünf Jahre finanzieren.

„Es gibt in der Wissenschaft erhebliche Bedenken gegen die Konstruktion des Instituts“, sagte gestern ein Pisaforscher der taz. Seinen Namen mag der renommierte Schulevaluierer nicht nennen. Aber seine Argumente sind stichhaltig. Was etwa in der offiziellen Verlautbarung der Kultusministerkonferenz wie eine Nebensächlichkeit behandelt wird, ist in Wahrheit ein wissenschaftspolitischer Skandal: Gegen das Veto der Kultusminister kann der Leiter des neuen Instituts gar nicht erst berufen werden. Das ist ein Unikum – immerhin soll der Chef der Qualitätsagentur gleichzeitig Professor der Erziehungswissenschaften an der Humboldt-Universität sein. Als solcher ist er laut Verfassung unabhängig, also Inhaber der Freiheit von Forschung und Lehre.

Nicht so bei dem KMK-Institut. Es sei sicherzustellen, heißt es dazu in der Satzung des Instituts, die der taz vorliegt, „dass die wissenschaftliche Leiterin bzw. der wissenschaftliche Leiter des Vereins gegenüber dem Vorstand und der Mitgliederversammlung berichtspflichtig ist“. Auf Deutsch bedeutet das: Der Chef des Instituts wird an der kurzen Leine sowohl des KMK-Generalsekretärs Erich Thies (CDU) als auch sämtlicher Kultusminister geführt.

Auf den Fluren der Unis wird bereits gespottet, der Leiter des wichtigsten deutschen Evaluierungsinstituts sei in Wahrheit „das Schoßhündchen des KMK-Generalsekretärs“. Pikant daran ist, dass Thies selbst Erziehungswissenschaftler an der Humboldt-Uni war – nun kehrt er heim an seinen alten Fachbereich, als geheimer Spindoctor beim Messen der Leistung von Deutschlands SchülerInnen.

Schon jetzt ist klar, dass die deutsche Qualitätsagentur das Niveau seiner großen Vorbilder nicht wird erreichen können. Die Agentur soll die nationalen Bildungsstandards überprüfen, wie es beim Pisa-Spitzenreiter Finnland oder etwa in Schweden geschieht. Das bedeutet: Die Lernziele in Testaufgaben übersetzen und dann die Kompetenzen der SchülerInnen daran messen.

Das soll helfen, die bislang in Deutschland besonders krassen Leistungsunterschiede zwischen Ländern und Schülern zu reduzieren. In Finnland und in Schweden sind dafür komplett unabhängige wissenschaftliche Institute zuständig. Der Chef des schwedischen Sloverket, Mats Eklund, käme nicht auf die Idee, Weisungen seines Bildungsministers entgegen zu nehmen. Beim deutschen Pendant liegt der Fall anders. Spurt der wissenschaftliche Leiter nicht, kann ihn der Vorstand kurzerhand rauswerfen.

Die KMK war verständlicherweise zufrieden mit dem 2,4 Millionen Euro teuren Institut. Es gebe der Schulentwicklung einen Schub nach vorn, sagte KMK-Präsidentin Doris Ahnen (SPD). Auch der Vizepräsident der Humboldt-Uni, Elmar Tenorth, war froh über den Gründungsbeschluss. „Das stärkt den Schwerpunkt Bildungsforschung an unserer Universität und hilft die neuen Bildungsstandards für die deutschen Schulen umzusetzen.“ Allerdings: Auch Tenorth machte deutlich, dass das an die Humboldt-Uni angedockte Institut nur auf die Arbeit der zentralen Fächer Deutsch, Mathematik und Englisch konzentrieren könne. „Die Realisierung der daraus folgenden Tests müssen die Länder selbst vornehmen – oder bezahlen.“

In der seit der Pisastudie 2001 aufgeschreckten Bildungsszene herrscht indes wenig Begeisterung. „Die KKM kommt nicht davon los, alle Vorgänge im Bildungsbereich sehr eng führen zu wollen – diesmal hat sie dieses System noch perfektioniert“, sagte ein hochrangiger Kultusbeamter der taz. Die ersten Studien des Instituts werden für 2005 erwartet.