: Präsident besucht Steuer-Oase
Horst Köhler auf dem Finanzamt: Der Bundespräsident adelt mit seiner Chef-Visite vereinfachte Modelle zur Steuererklärung, deren Sicherheit Unternehmensvertreter und Steuerberater anzweifeln
VON MARTIN TEIGELER
Bundespräsident Horst Köhler ist heute auf Staatsbesuch im Finanzamt Bochum Süd. Das Staatsoberhaupt weilt zu seinem Antrittsbesuch im größten Bundesland und stattet den Bürokraten eine Visite ab, um sich über das Modellprojekt „Vereinfachte Steuererklärung“ informieren zu lassen. Nur noch zwei Seiten umfasst das „vereinfachte“ Steuerformular. Das in Bochum getestete Verfahren soll demnächst in ganz NRW eingeführt werden.
Einfacher, schneller und digitaler soll die Formularschlacht Steuererklärung nach dem Willen der rot-grünen Landesregierung werden. Bereits für das Veranlagungsjahr 2004 sei die „Steuererklärung light“ in fast allen Bundesländern zugelassen, teilte NRW-Finanzminister Jochen Dieckmann (SPD) noch im Dezember mit. NRW sieht sich hier wie bei vielen finanzpolitischen „Gimmicks“ (E-Government, Neues Kommunales Finanzmanagement) als Pionier-Bundesland. Die vereinfachte Erklärung wurde in Nordrhein-Westfalen bereits für das Steuerjahr 2003 in landesweit fünf Finanzämtern, darunter auch Bochum-Süd, getestet. Ob der vereinfachte Vordruck bundesweit einheitlich zum Einsatz kommt, hängt jedoch von anderen Pilotprojekten für bessere Steuerformulare in einzelnen Bundesländern ab. Nach dem Grundsatzbeschluss wollen sich die Finanzminister laut Dieckmann dafür einsetzen, das Verfahren in allen Ländern einzusetzen.
Auch ein anderes Prestigeobjekt des NRW-Finanzministers wird dem Bundespräsidenten heute in Bochum vorgeführt: die „elektronische Steuererklärung“ (Elster, siehe Infokasten). Nachdem die Elster-Erklärungen bislang nur mit dem Windows-Betriebssystem des Anbieters Microsoft gemacht werden konnte, soll das Angebot demnächst allen PC-Nutzern verfügbar gemacht werden. Freeware-Anbieter wollten ab diesem Monat auch eine Version für andere Betriebssysteme bereitstellen, sagt ein Sprecher des Düsseldorfer Finanzministeriums.
Während der private Steuerzahler Elster noch testen darf, sind Unternehmen gesetzlich zum elektronischen Weg gezwungen. Mit der seit Januar gültigen dritten Stufe der Steuerreform sind erstmalig digitale Umsatzsteuer- und Lohnsteuervoranmeldungen Pflicht. Sozialversicherten-Meldungen und Beitragsnachweise für die Krankenkassen sind ab dem Jahr 2006 ebenso zur elektronischen Übermittlung vorgeschrieben. Schon gibt es erste Beschwerden. Elster sei nicht sicher, heißt es. So warnte der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation (BITKOM) vor einem möglichen Missbrauch des Elster-Verfahrens. Es sei möglich, Steuerdaten fremder Unternehmen ohne technische Hürden zu manipulieren und finanzielle Schäden anzurichten. „Damit wird dem Schindluder Tür und Tor geöffnet“, kritisierte eine BITKOM-Sprecherin. Auch die Bundessteuerberaterkammer warnte unlängst vor Sicherheitslücken bei Umsatzsteuer-Voranmeldungen. Es gebe keinerlei Schutz durch ein Passwort oder die elektronische Signatur.
„Elster war und ist sicher“, verteidigt ein Sprecher des NRW-Finanzministeriums den elektronischen Standard. Kriminelles Handeln könne man jedoch nie ausschließen. „Wer unter falschem Namen Elster-Steuererklärungen abgibt, macht sich strafbar“, so der Sprecher. Dieser Missbrauch sei jedoch schon in der alten Papierform möglich gewesen. Eine Sprecherin der NRW-Landesdatenschutzbeauftragten Bettina Sokol wollte Elster auf Anfrage nicht verteidigen: „Die Diskussion ist im Fluss.“ Vor einer Stellungnahme wolle man Gespräche zwischen dem Bundesdatenschutzbeauftragten und dem Bundesfinanzministerium abwarten. Vielleicht kann Bundespräsident Horst Köhler ja in diesem Konflikt vermitteln und den Steuerzahlern mehr Sicherheit geben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen