: Drei Mann rudern für Frankreich
Mit Premier de Villepin und Innenminister Sarkozy sitzen zwei Männer in Frankreichs neuer Regierung, die verschiedener nicht sein können. Die Franzosen rätseln, welches Ziel Staatschef Chirac verfolgt. Der versucht erst mal, die EU-Staaten zu beruhigen
AUS PARIS DOROTHEA HAHN
„Das letzte Gefecht eines agonisierenden Regimes“, nennt es PS-Fraktionschef Jean-Marc Ayrault. „Eine Provokation“, die KP-Chefin Marie-Georges Buffet. „Eine komische Oper“, der Chef der rechtsliberalen UDF, François Bayrou. „Nichts, das die Schockwelle der 55 Prozent verebben lassen wird“, der Sprecher der trotzkistischen LCR, Olivier Besancenot.
Auf jeden Fall ist die neue Dreierkiste in Frankreich eine reine Männersache, die ausschließlich im rechten Lager spielt und deren Akteure die Säulen der bisherigen politischen Spitze waren: Chirac bleibt Staatschef. Sein Vertrauter Dominique de Villepin wird Premier. Nicolas Sarkozy, Rivale von Chirac und de Villepin, wird wieder Innenminister. Gleichzeitig darf er Chef der rechten UMP bleiben. Dieses Parteiamt schien dem Staatschef noch vor wenigen Monaten inkompatibel mit einem Ministerposten. Sarkozy musste deswegen im November die Regierung verlassen.
Chirac kündigte das Stühlerücken am Dienstagabend in einer Ansprache an seine „chers compatriotes“ an. Darin legte der Staatschef auch die oberste Priorität für die beiden zentralen Männer der neuen Regierung fest: den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Chirac betonte, Frankreich werde nicht das „angelsächsische Modell“ kopieren, aber jeden „Immobilismus“ vermeiden. Über die europapolitischen Konsequenzen des Referendums schwieg er weiter. Er sprach stattdessen von „nationaler Sammlung“ und „nationalem Interesse“. Und beendete seine Ansprache mit „Vive la France“.
Am selben Abend verschickte er einen Brief in die 24 Hauptstädte der anderen EU-Länder. Darin versichert Chirac, das Referendum stelle das „historische und tiefe Engagement Frankreichs beim europäischen Aufbau“ nicht infrage. Er kündigte den „Beginn einer Reflexion über die Konsequenzen“ an. Als Datum schlägt er den EU-Gipfel am 16./17. Juni in Brüssel vor. Seither rätselt Frankreich über die Absichten des Präsidenten – beziehungsweise über die Frage, ob Chirac gar keine klaren Absichten mehr hat. Die beiden Spitzenmänner sind so unterschiedlich, wie das in der französischen Rechten möglich ist: de Villepin liegt in der gaullistischen Tradition. In Washington hat er seit seinem Auftritt im Weltsicherheitsrat am 14. Februar 2003, bei dem er die französische Position gegen den Irakkrieg verteidigte, kaum Freunde. De Villepin verteidigt einen starken Staat, inklusive sozialpolitischem Interventionismus. Und das französische Modell der Laizität, das Staat und Religion strikt trennt.
Sarkozy sieht in den USA einen wichtigen Verbündeten, will eine „pragmatische“ Sozial- und Wirtschaftspolitik, die auch den Kündigungsschutz und andere „Hemmnisse“ für das Wirtschaftswachstum abbaut. Die Laizität hält er für „überholt“. Beide haben sich in der Vergangenheit mehrfach für dieselben Posten interessiert. Auch den des Premiers. Vorerst hat de Villepin ihn bekommen. Aber Sarkozy will weiter hinaus. Er sagt schon lange: „Ich will Chiracs Platz.“
Vorerst ist unklar, ob sich die beiden Rivalen in der Regierung bekämpfen und lähmen oder ob sie Chirac zu der nötigen breiten Unterstützung in der Rechten verhelfen werden. Für die übrigen 24 EU-Länder macht die Dreierkiste den Umgang mit Frankreich nicht leichter.
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