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Kulturkampf um ein religiöses Bedürfnis

Das Marienheiligtum im saarländischen Marpingen soll mit Landesgeldern eine Toilette erhalten. Ministerpräsident Müller hat sich von der Subvention für den kirchlich nicht anerkannten Wallfahrtsort distanziert, will die Auszahlung aber nicht stoppen

AUS SAARBRÜCKEN KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Fabian Zoller aus Eppelborn im Saarland ist empört. Mit den 900.000 Euro, die das saarländische Wirtschaftsministerium dem Wallfahrtsort Marpingen zur „Verbesserung der Infrastruktur“ beim Marienheiligtum bewilligte, hätten rund 15 veraltete Schulbüchereien völlig neu bestückt werden können, wettert der Schüler in einer Zuschrift an die Saarbrücker Zeitung. Leser Jürgen Lehmann aus Holz wird noch deutlicher. Das Land subventioniere „Hokuspokus“. Ministerpräsident Peter Müller (CDU) müsse jetzt diesen „Schwachsinn“ schnellstmöglichst wieder rückgängig machen.

Der Sturm der Entrüstung tobt also mächtig über dem katholischen Saarland. Regierungschef Müller fiel seinem Wirtschaftsminister bereits in den Rücken. Wenn er für die Bewilligung von Landesmitteln für Infrastrukturmaßnahmen im ländlichen Raum zuständig wäre, so Müller, wären diese Gelder nie ausgeschüttet worden. Rückgängig machen aber will Müller nichts.

Daraus zieht die oppositionelle und eher zum Atheismus neigende SPD an der Saar den Schluss, dass es bei der katholischen Union im Lande „ganz offenbar drunter und drüber geht“, wie die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Cornelia Hoffmann-Bethschneider sagte. Müller habe seinen Minister „öffentlich düpiert“. Geschehen aber sei nichts. Ohnehin werde in Marpingen schon „fleißig gebuddelt“.

Ganz unrecht ist das der SPD-Politikerin allerdings nicht. Im Saarland seien die Menschen schließlich noch gläubig, worüber man sich als Politiker „nicht mokieren“ dürfe. Sie sieht aber vor allem den touristischen und wirtschaftlichen Aspekt der Investition. Schließlich pilgerten seit 1999, dem Jahr der angeblichen zweiten Marienerscheinung im Härtelwald, rund 100.000 Menschen jährlich nach Marpingen. Bis jetzt gebe es dort noch nicht einmal eine Toilettenanlage.

Wie noch zu Zeiten der angeblichen ersten Marienerscheinung 1878 düngen die Pilger also das Moos unter den Bäumen. Es stinkt zum Himmel. Die Arbeiten zur Herstellung einer funktionierenden Kanal- und Abwasseranlage für den Bereich des Marienbrunnens wurden denn auch vorgezogen, wie Bürgermeister Werner Laub (SPD) berichtet. Danach werde der Quell- und Andachtsbereich überdacht und der gesamte Platz mit einer „zentralen Wasserentnahmestelle“ neu gestaltet.

Dort soll die „Muttergottes“ 1878 drei jungen Mädchen mehrfach erschienen sein und durch die Berührung von Kranken auch Heilungen vollbracht haben, so die Legende. Diese Marienerscheinungen hätten sich 1999 wiederholt. Drei Seherinnen berichteten jedenfalls davon und lösten damit einen bis heute nicht mehr abreißenden Pilgerstrom in die Großgemeinde Marpingen mit ihren 12.000 Einwohnern aus, obgleich die katholische Kirche in Gestalt des zuständigen Bischofs von Trier dem jüngsten Wunder die amtliche Anerkennung versagt. An manchen Sonntagen tummelten sich bis zu 2.000 Pilger im Wald.

Weil die Pilger Speise und Trank brauchen und ihre Busse ganz profan auch Parkplätze, werden im nächsten Jahr noch einmal rund 1 Million Euro an Landesmitteln für „Infrastrukturmaßnahmen“ in Marpingen fällig. Da wird sich Ingrid Damian aus Quierschied, der die „Erscheinungsstätte Marpingen heilig“ ist, aber freuen. Katholiken müssten sich schließlich nicht alles gefallen lassen, schreibt sie in einem Leserbrief. Schon gar nichts von zynischen Journalisten, die doch ohnehin „so schwer von Begriff“ seien.

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