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I N T E R V I E W Statt Uniform der Geschäftsanzug

■ Sebhat Efrem von der Eritreischen Befreiungsfront EPLF über die Verfassung des DERG

taz: Nach 12jähriger Herrschaft durch den provisorischen Militärrat DERG soll jetzt die Demokratische Volksrepublik Äthiopien ausgerufen werden. Was hält die EPLF von diesem Vorhaben? Sebhat: Wir sehen in der Verfassung in erster Linie einen Propagandaakt. An der Nationalitätenpolitik wird sich nichts ändern. Das Regime will seine Macht konsolidieren und ihr einen populären Charakter geben. In Zukunft wird der Krieg gegen Eritrea dann im Namen des Volkes geführt. Die gleiche Militärclique wird an der Macht bleiben, man kennt schon die Namen der Minister. Welche Rolle spielt die Sowjetunion in dem Projekt? Der Entwurf ist nicht direkt an die Verfassung der SU angelehnt. Bestimmte Elemente sind übernommen, aber insgesamt ist der äthiopische Entwurf viel unklarer. Es ist eine Ansammlung von Wörtern und Begriffen. Es wird zwar über Autonomie gesprochen, aber nicht klargestellt, was das ist. Die Verfassung enthält keinerlei Garantien bezüglich demokratischer Rechte. Es wird sozusagen nur die Kleidung gewechselt: statt Uniform der Geschäftsanzug. Wie wird die Eritrea–Frage behandelt? Sie wird gar nicht behandelt. Eritrea soll in verschiedene geographische Zonen aufgeteilt und so seine politische Identität zerstört werden. Das ist absurd. Nach 25 Jahren Befreiungskampf haben wir ein Recht auf Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Wie wird die Verfassung in der Bevölkerung diskutiert? In den Dörfern wird ein großes Zelt aufgeschlagen, die Kader des DERG erscheinen, die Verfassung wird verlesen, ein paar Fragen oberflächlich beantwortet. Anschließend wird im Radio verkündet, daß die Bewohner der gesamten Region das Projekt begrüßen. Oft wurde die Teilnahme an den Versammlungen erzwungen. Wir wissen, daß der Entwurf abgelehnt wird, sowohl in Eritrea als auch in Äthiopien selbst. An manchen Orten ist es sogar zu offenen Protesten oder provokanten Fragen gekommen. Wie ist die Lage in Eritrea? Im Moment ist es ruhig, aber die Regierung bereitet eine große Offensive vor. 30 bis 40.000 Soldaten wurden dafür neu rekrutiert. Als Anreiz dienen Nahrungsmittelspenden aus den USA und Europa, die unter den Soldaten und ihren Familien verteilt werden. Das gleiche versuchen sie in manchen besetzten Gebieten Eritreas. Wir raten unseren Leuten, die Gewehre und Nahrungsmittel anzunehmen. Im Hafen von Assab werden täglich neue schwere Waffen aus der SU und Nordkorea entladen, kürzlich hat die SU Tausende von zusätzlichen Militärberatern und Technikern nach Eritrea geschickt. Ist das nicht eher ein Zeichen der Stärke des DERG? Nein, der moralische Zerfall der Armee muß mit mehr Soldaten und zusätzlichem Kriegsmaterial ausgeglichen werden. Auch im Staatsapparat und im technischen Bereich mehren sich die Zeichen der Desorientierung. Es vergeht keine Woche, in der nicht ein Regierungsbeamter, Botschafter, Techniker oder auch eine Fußballmannschaft ins Ausland flüchtet. Das äthiopische Militärregime überlebt nur noch mit Tricks und Gewalt. Das Gespräch führte Bernd Vollmer

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