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Strahlenschutzkommission entwarnt

■ Cäsiumbelastung in Lebensmitteln erheblich zurückgegangen

Bonn (dpa/ap) - Mehr als vier Monate nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl ist die Verseuchung der Nahrungsmittel in der Bundesrepublik durch den langlebigen Spaltstoff Cäsium nach Feststellungen der Strahlenschutzkommission (SSK) bis auf wenige Ausnahmen stark zurückgegangen. So ihr Vorsitzender, Prof. Erich Oberhausen gestern auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Umweltminister Walter Wallmann (CDU). Zu den Ausnahmen zählen die Pilzsorte Maronenröhrling mit Cäsiumwerten von über 600 Becquerel pro Kilo, wie sie in Bayern und Baden–Württemberg festgestellt wurden, und in süddeutschen Seen geangelte Süßwasserfische, deren Cäsiumwerte allerdings unter 600 Becquerel lägen. Während die SSK vorläufig vor einem Verzehr des Maronenröhrlings warnt, sieht Oberhausen bei den Süßwasserfischen dafür keine Notwendigkeit. Die SSK geht davon aus, daß im ersten Jahr nach dem Reaktorunglück die natürliche Strahleneinwirkung in der Bundesrepublik von jährlich etwa 200 Millirem um knapp zehn Prozent überschritten wird. Oberhausen erwartet, daß mit dem Einsatz des Winterfutters bei der Viehhaltung die Cäsiumwerte in der Nahrung über den Milch– und Fleischverzehr noch einmal leicht ansteigen werden. Bisherige Fütterungsversuche mit kontaminiertem Lagerfutter in Bayern und Baden–Württemberg zeigten aber, daß der Übergang des von den Tieren aufgenommenen Cäsiums in Milch und Fleisch wesentlich geringer sei als in bisherigen Berechnungsmodellen angenommen. Die SSK will sich mit dem Thema in ihrer nächsten Sitzung am 23. September genauer befassen. Die Belastung des Körpers durch Cäsium werde noch in diesem Jahr, spätestens jedoch zu Beginn nächsten Jahres „ihren Höhepunkt“ (Sättigungswert) erreichen. Danach sei wegen der Fähigkeit des Körpers, Cäsium wieder auszuscheiden, mit einem Rückgang zu rechnen. Wallmann sagte während der Pressekonferenz, das Reaktorunglück habe gezeigt, daß der Bund eine gesetzliche Grundlage brauche, um Grenzwerte für die radioaktive Belastung festlegen zu können. Ein entsprechendes Gesetz solle noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Dem Kabinett werde er einen Entwurf umgehend zuleiten. Die SPD–Opposition wertete die Pressekonferenz als einen weiteren Versuch, die Bürger zu beschwichtigen. Ihr Obmann im Umweltschutzausschuß, Harald B. Schäfer, kritisierte vor allem, daß kein Wort über das Zusammenwirken der unterschiedlichen Strahlenbelastungen gesagt worden sei und auch nichts über die Auswirkung kleiner Strahlendosen.

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