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Warum nicht auf den Gewinner setzen?

■ In einem seiner seltenen Interviews verteidigt der südsudanesische Rebellenführer Dr. John Garang seine Politik / Kontroverse über Wiederaufnahme der Luftbrücke in den hungernden Südsudan geht weiter / UN–Offizielle und Zentralregierung verhandeln ohne SPLA

Von Blaine Harden

Kapoeta (wps) - Der bullige Mann mit dem graugesprenkelten Bart nennt sich selbst Dr. John. Seinen Doktortitel hat er an der Universität von Iowa erworben, und immer wieder streut er Fremdwörter in die Unterhaltung ein. Wie die meisten Amerikaner hat er eine ausgeprägte Schwäche für frische Erdbeeren und Erdnußeis, aber der von ihm angeführte Guerillakrieg hat den gesamten Süden des Sudan von der Nahrungsmittelhilfe abgeschnitten und bedroht zwei Millionen Menschen mit dem Hungertod. Doch das ficht den Mann mit der frischgebügelten Uniform im Schatten der riesigen Schirmakazie nicht an: Zum ersten Mal seit langer Zeit äußerte sich der publicityscheue Rebellenführer in der vergangenen Woche in einem Guerillacamp an einem Seitenarm des Nil vor einer ausgewählten Schar von Journalisten zur Sache und - blieb hart: „Wir bereuen nichts“, antwortete der 43jährige Garang auf die Frage nach dem zunehmenden Hunger und dem Abschuß eines zivilen Flugzeuges im letzten Monat, eine Aktion bei der 60 Menschen ums Leben kamen. „Wir haben Premier Sadiq Mahdi vorher gewarnt, daß der Luftraum über Kriegszone I geschlossen ist. Man sollte uns nicht anklagen, sondern dafür loben, daß wir Sorge tragen, daß keine Zivilisten ins Kreuzfeuer geraten.“ Die Auseinandersetzung um die Nahrungsmittelhilfe für die von den Rebellen belagerten, aber von der Regierung kontrollierten Städte des Südsudan werde hochgespielt: „Sicher werden wir auch über Hilfe für die Stadtbevölkerung diskutieren, aber die feinen Herren, die immer in die Schlagzeilen kommen, sind nur eine winzige kleine Minderheit. Von der Landbevölkerung spricht niemand.“ Und dort, wo drei Viertel der Sudanesen leben und zwei trockene Jahre zusammen mit Bürgerkrieg und Heuschreckenplage die Ernten vernichtet haben, spielt sich nach Garangs Ansicht eindeutig das größere Drama ab: „Wenn die internationalen Hilfsorganisationen wirklich helfen wollen, dann muß über die Reaktionen verhandelt werden. Sie aber sprechen nur von den Städten. Wir haben die Hilfstransporte nicht aufgehalten, sondern sie sind nie zu uns gekommen.“ Ein klarer Standpunkt, aber nach Ansicht der Hilfsorganisationen ein unrealistischer: Der Süden sei infrastrukturell kaum erschlossen, es sei unmöglich, die Hilfsgüter ausschließlich per Lastwagen über die vergammelten Pisten in die rebellenkontrollierten Gebieten zu transportieren. Große Frachtflugzeuge müßten eingesetzt werden, und die könnten halt nur in den Städten landen, ganz gleich wo die Nahrungsmittel anschließend verteilt würden. Deshalb verhandeln z.B. UN– Offizielle nach wie vor mit der Zentralregierung in Khartoum über die Wiederaufnahme der Luftbrücke in den Süden. Den neuesten Anlauf machte vor einigen Tagen das World Food Programme, dessen Direktor Ingram für die kommende Woche die Wiederaufnahme der Flüge ankündigte. Sofern Khartoum die Flughäfen freigibt und die Sicherheit der Landstrasßn garantiert, soll am Montag eine Hercules C–130 mit 1.000 Tonnen Lebensmitteln nach Malakal starten und eine Boeing mit 3.000 Tonnen Fracht von Nairobi aus nach Juba, der Hauptstadt des Südsudan. Die Aussichten, daß das Manöver gelingt, sind jedoch gering. Rebellensprecher in Nairobi wie auch der Guerillasender Radio SPLA kündigten an, die Flugzeuge würden abgeschossen, wenn die SPLA nicht vorher kontaktiert werde. Der Luftraum bleibt geschlossen, für militärische, zivile und Versorgungsflüge. Was hier wie Unmenschlichkeit oder zumindest Sturheit anmutet, ist für Garang und seine Truppe wohlüberlegte Taktik. Zu lange wurde die SPLA von der Zentralregierung nicht ernstgenommen, zu viele Befreiungsbewegungen gibt es in Afrika, von denen weltweit nie Notiz genommen wird. Garang betreibt deshalb wirtschaftliche Sabotage gezielt und wirkungsvoll, solange bis der Süden mangels Masse nicht mehr vom Norden dominiert und ausgebeutet werden kann. So wurden in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von Großprojekten lahmgelegt, deren Bedeutung Garang sehr wohl bewußt war: Man stoppte Chevron Erdölprospektion, weil ein erfolgreicher Abschluß des Projekts die Kasse des Zentralstaates auf Jahres saniert hätte. Französische Techniker wurden daran gehindert, den Jonglei–Bewässerungskanal (übrigens Garangs Dissertationsthema) fertigzustellen, weil das Wasser vor allem dem Norden genützt hätte: „Der Guerillakrieg soll das Land nicht spalten, dies ist keine religiöser oder ehtnischer Konflikt, wir sind ganz einfach im Begriff, eine Nation zu werden.“ Und dies ist nach Garangs Ansicht nur möglich, wenn die Zentralregierung das islamische Recht abschafft und die Verteidigungsverträge mit Libyen und Ägypten kündigt, beides Symbole für die arabische Dominanz des Nordens. Die Tatsache, daß Khartoum bis dato keinerlei Entgegenkommen in diesen Fragen zeigt und eine Verhandlungslösung nach der Luftblockade des Südens durch die Rebellen immer unwahrscheinlicher wird, irritiert Garang nicht. Der ehemalige Armeeoffizier weiß, wovon er spricht: „Ich habe dem Premier im Juli gesagt, wenn er eine militärische Lösung wolle, brauche er mindestens 600.000 neue Rekruten. Und von denen wird ein Drittel zu uns desertieren. Auch die USA sollten sich überlegen, was sie tun. Sie haben unter Nimeiri auf das falsche pferd gesetzt und sie tun es immer noch. Warum nicht mal auf den Gewinner setzen?“

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