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Empörung über AIDS–Razzia

■ Frankfurter Gesundheitsamt ließ junge Männer festnehmen und unter Zwang einen Bluttest durchführen SPD, Grüne und AIDS–Hilfe protestieren / Vertrauensverhältnis zu Behörden empfindlich gestört

Aus Frankfurt M. Miersch

Entgegen allen öffentlichen Beteuerungen, daß es keine Zwangsmaßnahmen zur AIDS–Kontrolle geben wird, hat das Frankfurter Gesundheitsamt sieben junge Männer vom Hauptbahnhof zum Bluttest in die Uni–Klinik schleppen lassen. In einer völlig überraschenden Aktion am Mittwochabend ließen Beamte des Stadtgesundheitsamtes die Männer, die als „Strichjungen“ gelten, von der Bahnpolizei festnehmen. Ein 26jähriger Betroffener, der unter der Betreuung der Drogenberatungsstelle „M–41“ steht, gab an, daß ihm zwangsweise Blut abgenommen sowie Abstriche an Penis und After gemacht wurden. Auch sein Hinweis, er habe sich bereits freiwillig dem HIV–Test (bisher bekannt unter der Bezeichnung HTLV–III–Test) unterzogen, konnte die Ärzte nicht von ihren Maßnahmen abbringen. Ein anderer Gewährsmann gab an, ihm sei der Kontakt zu einem Anwalt verwehrt worden. Die Frankfurter AIDS–Hilfe hat inzwischen in einer öffentlichen Erklärung gegen die Zwangsmaßnahmen protestiert, die das bisher bestehende Vertrauensverhältnis zu den Behörden schwer belasten würden. Mit Aktionen wie dieser löse man lediglich Angst bei den Betroffenen aus und erreiche, daß die Beschaffungsprostitution in andere Viertel verlegt wird. AIDS–Hilfe–Sprecher Willi Brandt erinnerte an die sogenannten „Hasch–Wiesen–Razzien“, die die Drogenabhängigen ins Bahnhofsgebiet getrieben hätten. Auch die Oppositionsparteien im Römer haben sich inzwischen über die Vorgehensweise des Gesundheitsamtes empört. SPD– Fraktionsgeschäftsführer Meergans gegenüber der taz: „So geht man nicht mit Menschen um.“ Elke Kiltz von den Römer–Grünen kündigte eine Anfrage an den Magistrat an. Die Grünen wollen Einsicht in einen angeblich existierenden Magistratsbeschluß erhalten, auf den sich der Chef des Gesundheitsamtes, Dr. Schild wächter, in der Lokalpresse berufen hat. Nach diesem Beschluß sollen, so Schildwächter, solche Aktionen in Zukunft wiederholt werden. Der Amtsleiter kündigte an, daß gegen „Strichjungen“, die den HIV–Virus im Blut haben, Ordnungsstrafen verhängt werden, wenn sie weiterhin der Prostitution nachgehen. Eine solche Vorgehensweise sei vom Bundesseuchengesetz abgedeckt. Bekannt wurde die Aktion vom Mittwoch lediglich durch anonyme Anrufe bei der AIDS– Hilfe. Die Betroffenen hatten zunächst die Polizei hinter der Razzia vermutet. Nach anfänglichen Dementis gestand der Chef des Gesundheitsamtes gegenüber der Lokalpresse ein, daß der Einsatz auf seine Veranlassung hin stattgefunden habe. Dabei erklärte er, es sei beabsichtigt gewesen, die Aktion vor der Öffentlichkeit verborgen zu halten.

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