: Campesinos lehnen US–Almosen ab
■ Mehr als 10.000 vom Krieg zwischen Contra und Sandinisten vertriebene Kaffebauern im Süden von Honduras verlangen von der US–Regierung Schadenersatz / Aus Angst hat die honduranische Armee den Journalisten jeden Zugang zur Zone der Contra gesperrt
Von Jean–Pierre Gerber
Tegucigalpa (taz) - Auf dem Festplatz des honduranischen Städtchens Danli, gleich neben dem Friedhof, findet an diesem Morgen eine seltsame Versammlung statt. Machetenbewaffnete Männer mit grobem Schuhwerk und hellen Strohhüten stehen frierend im Nieselregen. Dazwischen Frauen mit kleinen Kindern in den Armen und größeren, die sich an die weißen Röcke klammern. Mehrere Wegstunden sind die von der Contra vertriebenen Kaffeebauern hergereist, um von den „Gringos“ (Amerikaner), die mit dem Hubschrauber eintreffen sollen, Hilfe zu erbitten. Immer wieder suchen die Menschen den naßgrauen Himmel ab und horchen nach Rotorgeräuschen. Doch die Nebelschwaden senken sich immer tiefer über die Pinienbewachsenen Hügel hinter der Stadt, und es herrscht alles andere als Flugwetter. Von den Kriegswirren überrollt Zwischen 10.000 und 16.000 kleine Kaffeepflanzer des honduranischen Departements el paraiso (zu deutsch: das Paradies) sind in den letzten drei Jahren vor dem Krieg aus der Grenzzone zu Nicaragua ins Landesinnere geflüchtet. Was früher ein grünes und fruchtbares Paradies war, hat sich in eine Kriegshölle verwandelt. Etwa 15.000 antisandinistische Contras der „Demokratischen nicaraguanischen Kraft“ (FDN) haben in den bewaldeten Hügeln der honduranischen Kaffeebauern ihre Militärbasen eingerichtet. Von dort aus unternehmen sie Angriffe auf nicaraguanisches Territorium. Die sandinistische Volksarmee ihrerseits beschießt die Zone von Nicaragua aus mit Artillerie und Raketenwerfern und stößt von Zeit zu Zeit über die Grenze gegen die Stellungen der Rebellen vor. Kaffeebauer Remigion Gonzalez berichtet: „Auf meinem Land haben bereits 16 Granaten eingeschlagen“. Die Geschosse hätten seine beiden Maulesel und das Pferd getötet und drei große Löcher in das Wohnhaus gerissen. Zwei Nachbarskinder seien im Splitterregen gestorben. Am 6. Januar flüchtete Gonzalez mit seiner elfköpfigen Familie und ließ 25 Hektar reifen Kaffee zurück. In Danli wohnt die Familie jetzt in einer schmutzigen kleinen Holzhütte, und Vater Remigio weiß nicht, wie er die hungrigen Mäuler stopfen soll. „Die Kinder sind krank und unterernährt, ich bin ruiniert und die Regierung hilft uns nicht“, klagt der einst stolze Kaffeepflanzer. Die versammelten Cafetaleros berichten, ihre Kulturen seien völlig vermint. Wer die Minen streut ist umstritten. Remigio Gonzalez sagt, es seien die Sandinisten. Für Antonio Erazo, Präsident der Kaffeproduzenten von Danli, sind es die Contras. Andere Bauern wiederum versichern, beide Seiten legten Sprengsätze. „Wir leiden unter einem Krieg, mit dem wir nichts zu tun haben“, konstatiert Cafetalero Santos Cristobal Canadas. Die meisten Kaffeepflanzer sind einfache Leute und verstehen nicht recht, worin der Konflikt eigentlich besteht. Umso leichter sind sie zu beeinflussen. Er habe ursprünglich geglaubt, erzählt Remigio Gonzales, wenn die Contra zum Verlassen des Gebietes gezwungen würde, gäbe es wieder Frieden. Ein Leutnant der honduranischen Armee habe ihm aber erklärt, der Krieg sei „ideologischer Art“, weshalb er nun einsehe, daß sie, die Cafetaleros, die Zone verlassen müßten. Die umstehenden Bauern nicken zustimmend. „Wir wollen bloß eine Entschädigung für die Verluste und neues Land, auf dem wir anpflanzen können“, lautet der Tenor der duldsamen Menschen. Die USA tragen die Verantwortung Politischer und kämpferischer geben sich die Führer der Kaffeeproduzenten von Danli, der die meisten Vertriebenen angeschlossen sind. Vorstandsmitglied Manuel Aguirre: „Die USA haben uns das mit der Contra ein gebrockt und von ihnen wollen wir den Schaden bezahlt haben.“ Er beklagt sich, die Militärs bezeichneten ihn als „subversiv“, weil er Journalisten in die Zone geschleust habe. „Hunger ist die Mutter der Subversion“, meinte er lakonisch. Die honduranische Armee hat den Journalisten jeden Zugang zum Aufmarschgebiet der Contra gesperrt, um - wie es offiziell heißt - die Medienvertreter nicht der Gefahr von Minen auszusetzen. „Das ist eine Lüge“, kommentiert Manuel Aguirre die Begründung des Verbots. Seiner Ansicht nach will die Armee die Anwesenheit der Contra auf honduranischem Boden und ihre eigene Zusammenarbeit mit den Rebellen vertuschen. Nachdem es im vergangenen Juni zwei amerikanischen Journalisten gelungen war, in die von der Contra kontrollierte honduranische Grenzzone vorzustoßen, stopfte die Armee auch noch die letzten Schlupflöcher. Zu diesem Zweck haben die honduranischen Militärs alle männlichen Honduraner der Region in „Zivilverteidigungspatrouillen“ organisiert, die eindringende Journalisten und desertierende Contras festnehmen. Nach Angaben der Kaffeebauern aus der Zone liefert die honduranische Armee die Contra–Deserteure der FDN aus. Endlich, mit mehr als vierstündiger Verspätung trifft - per Auto - die erwartete US–Delegation ein. Doch die Kaffeepflanzer sind enttäuscht: Anstatt der versprochenen Kongreßmitglieder steigen zwei Vertreter der staatlich– amerikanischen Entwicklungsagentur US–Aid aus. Sie zeigen sich über die Anwesenheit ausländischer Korrespondenten verärgert (“Das ist ein öffentlicher Anlaß“) und sind nur bereit, hinter verschlossenen Türen mit den Cafetaleros zu verhandeln. Dort versprechen sie, so berichtet später Antonio Erazo, die verstreut lebenden Vertriebenen zu zählen und den betroffenen Schadenersatz zu zahlen. In einem Brief an die US–Regierung hatte die nationale Kaffeproduzentenorganisation „AHPROCAFE“ zuvor einen Betrag von 50 Millionen US– Dollar verlangt. Unterdessen hat ein Sprecher des US–Botschaft in Tegucigalpa bekanntgegeben, seine Regierung habe nicht die Absicht, den Vertriebenen „irgendwelchen Schadenersatz zu bezahlen“. Zur Begründung erklärte Arthur Skop, die USA seien „nicht beteiligt, an was auch immer dieses Problem verursacht hat“. US–Aid werde hingegen den Vertriebenen mit einem Nahrungsmittel– und Zeltprogramm helfen, betonte Skop. Erboster Kommentar von AHPROCAFE–Vizepräsident Wilfredo Castellanos: „Wir sind keine Almosenempfänger“.
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