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I N T E R V I E W NH–Betriebsrat beschuldigt Vetter

■ Interview mit Pit Goldschmidt (50), Betriebsrat bei der NH in Hamburg, zum Verhalten des Ex–DGB–Vorsitzenden Vetter

In der letzten Woche hat Heinz–Oskar Vetter vor dem Untersuchungsausschuß in Bonn erneut erklärt, er sei von dem früheren NH–Boß Albert Vietor hintergangen worden und habe erst durch die Spiegel– Veröffentlichung von der ganzen NH–Misere erfahren. Wir befragten dazu den Betriebsrat Pit Goldschmidt, langjähriger Sprecher des Wirtschaftsausschusses bei der NH–Holding. Von 1968 bis 1978 war P. Goldschmidt bei einer Schwestergesellschaft der NH–Städtebau beschäftigt und wechselte danach zum gemeinnützigen Teil über. taz: In der letzten Woche hat Heinz–Oskar Vetter erneut jegliche Mitverantwortung an der NH–Katastrophe geleugnet und erklärt, er habe seine Aufsichtspflicht als ehemaliger Vorsitzender nicht verletzt. Wann haben Sie Herrn Vetter informiert? Goldschmidt: Wir, zwei weitere Betriebsräte und ich, haben Herrn Vetter schon 1977 in Düsseldorf auf die Hybris des damaligen Managements hingewiesen. Wir haben ihm an– hand von detaillierten Unterlagen erklärt, daß große Vermögensteile falsch bewirtschaftet wurden und viele Planungen wirtschaftlich völlig untragbar waren. Ferner haben wir die Gefahren für den gemeinnützigen Teil der Neuen Heimat dargelegt, die durch die Geschäftspolitik der NH–Städtebau drohten. Was ist danach geschehen? Als wir wieder in Hamburg waren, mußten wir zunächst sofort zum Vietor, der über das Gespräch informiert war. Es ging dabei nicht darum, die Mißstände nun abzustellen, sondern wir wurden diszipliniert und zurechtgewiesen. Nach einem halben Jahr haben wir dann bei Vetter ein Tätigwerden angemahnt und auf den dringenden Handlungsbedarf hingewiesen. Daraufhin kam es in Hamburg erneut zu einem Gespräch mit Vetter, das viereinhalb Stunden dauerte. Haben Sie dort kriminelle Praktiken angeprangert, oder ging es um wirtschaftliche Fehlentscheidungen? Uns ging es um die wirtschaftliche Situation des Unternehmens. Die persönliche Bereicherung des Managements war nur Beiwerk, dieden Konzern nicht kaputt gemacht hat. Wir haben z.B. auf die nicht abgesicherten Projekte im Ausland hingewiesen. Wie hat Vetter reagiert? Er hat versprochen, sich darum zu kümmern und mit Albert Vietor zu sprechen. Wußten Sie damals schon, daß Vetter persönlich an Abschreibungsgeschäften der NH beteiligt war? Nein. Wir haben ihn für absolut integer gehalten und nicht geglaubt, er könne in den üblichen Machenschaften des Hauses verstrickt sein. Wie haben Sie in den späteren Jahren das Nichttätigwerden von Vetter bewertet? Ich habe es gar nicht bewertet. Ich war verzweifelt. Ich habe mich lediglich an die Arbeitnehmervertreter gewandt und darum gebeten, z.B. der Bestellung von Geschäftsführern wie Vormbruck zu widersprechen. Aber das war auch erfolglos, weil die Arbeitnehmervertreter sich immer wieder von den Anteilseignern und der Geschäftsleitung haben einlullen lassen. Wie lagen Sie mit Ihren wirtschaftlichen Prophezeihungen? Es ist genau so gekommen wie von uns 1977 vorausgesagt. Nur im Zeitpunkt haben wir uns geirrt. Wir hatten nicht erwartet, daß es so schnell gehen würde. Das Interviev führte Jakob Sonnenschein

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