: I N T E R V I E W Mehr Gegenwind im Freistaat
■ Hartmut Bäumer, 38, Arbeitsrichter, Spitzenkandidat der Grünen für Oberbayern, zu dem „tollen Wahlergebnis“, für das er eine Kiste Sekt spendieren muß
taz: Hast du ein derartiges Ergebnis erwartet? Bäumer: Nein, ich habe eine Kiste Sekt verloren, ich hatte mit fünf oder sechs Prozent gerechnet. Aber es ist ein ganz tolles Ergebnis. Ich hatte schon befürchtet, daß die SPD verlieren wird, da es ihr niemand geglaubt hat, daß sie jetzt plötzlich nach 30 Jahren eine wirkliche Opposition machen will. Wer vier Jahre schläft, der braucht sich nicht zu wundern. Wir haben den Wählern klar gemacht, daß wir unsere Themen gut vertreten, und das kam an. Die CSU hat trotz Tschernobyl, WAA und Bauernfrage relativ wenig verloren. Ja, da bleibt noch viel zu tun. Man muß aber schon berücksichtigen, daß die CSU schließlich auch 2,5 Prozent verloren hat. Es geht langsam, aber es geht. Was wird sich jetzt im Maximilianeum ändern? Ich hoffe, daß wir mehr Gegenwind machen können und Politik mehr nach außen bringen, diesen schlimmen CSU–Filz, diese Verschwägerung zwischen Politik, Wirtschaft und Kirche öffentlich machen. Wir wollen es der CSU einfach schwerer machen, ihre arrogante Linie durchzuziehen. Ich glaube, es wird für uns sehr schwer werden. Ich bin da vorsichtig, man kann nicht sagen, wir sind drin und schon ist die Welt in Ordnung. Bundesweit sind die bayerischen Grünen eher auf dem „rechten“ Flügel angesiedelt. Hat sich das in Bayern bezahlt gemacht? Die bayerischen Grünen gehören eher dem Realo–Flügel an, das ist gar keine Frage. Nur können wir mit dieser Ausrichtung in Bayern auf dem Land - und das beweist auch das Wahlergebnis - eher ankommen als mit einer schwer vermittelbaren fundamentalistischen Position. Ich habe selbst gemerkt, wie schwer es für uns hier ist, unsere Inhalte zum § 218 oder zur Asylfrage überhaupt zu vermitteln. Welches Thema hat denn letztendlich die Wahl entschieden? Ich bin kein Politiker, um so plakativ zu reden. Entscheidend waren für mich die Arroganz der CSU und die Schwäche der SPD. Bei der Asylfrage hat sich die CSU ein Eigentor eingehandelt, denn die Leute haben da den Schönhuber mit seinen Republikanern gewählt. Wackersdorf hat sicher in der Oberpfalz eine Rolle gespielt. Tschernobyl hat den WAA–Protest verstärkt, weil die Auswirkungen in Bayern besonders schlimm waren und die bayerische Politik besonders verlogen war. Welche Auswirkungen wird das Ergebnis auf die Bundestagswahl haben? Das ist für uns ganz wichtig, ein Aufschwung. Wenn wir es hier in Bayern nicht geschafft hätten, wäre das eine Katastrophe gewesen. Man muß sich das doch mal überlegen, hier in Bayern, das ist ja noch zum Teil letztes Jahrhundert, wenn da eine so starke grüne Fraktion sitzt, das heißt schon was... ... aber noch kein Minister... ... wollen wir auch gar nicht. Die CSU hat schon Angst, daß sie uns jetzt einen Ausschußvorsitz überlassen muß. Interview: Luitgard Koch und Bernd Siegler.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen