Jeder ein wandelndes Arbeitsamt

■ Neuer Untersuchungsausschuß im saarländischen Landtag / Titel: „Stimmenkauf und -verkauf bei der Landratswahl in Merzig“ / Die „politische Sittenverderbnis“ zieht sich durch alle Parteien

Von Felix Kurz

Saarbrücken (taz) - Daß im Polit–Geschäft geschmiert, gedrückt und verschoben wird, was nicht niet– und nagelfest ist, weiß auch der CDU–Landtagsfraktionsvorsitzende Günther Schwarz: „Das hat es schon in allen politischen Lagern gegeben“, meinte er gegenüber der taz. Und so mußte er jüngst sogar seinen „eigenen Freunden ins Gewissen reden“, damit die „politische Sittenverderbnis“ nicht noch mehr um sich greift. Besonders beliebt sind dabei im von der Arbeitslosigkeit arg gebeutelten Bundesland gut dotierte Jobs. „Jeder Abgeordnete ist hier doch ein wandelndes Arbeitsamt“, erzählt der Saar–FDP– Chef Horst Rehberger. Für die Wahl des CDU–Mannes Michael Kreiselmeyer zum Landrat in Merzig am 30. August kam der Appell von Günther Schwarz allerdings zu spät. In einer eidesstattlichen Versicherung erklärte der FDP–Kreistagsabgeordnete Guido Neisius, der Saar–Toto–Direktor Alfred Holzwarth (SPD) habe ihm für den Fall, daß er diesmal den SPD–Kandidaten Gerd Wiebe zum Landrat wähle, versprochen, seinem Sohn Jörg einen gutdotierten Posten bei der Saar–Toto–Gesellschaft zu verschaffen. Guido Neisius vertraute sich dann seinem Landesvorsitzenden Rehberger an und will dann doch für den CDU–Kandidaten gestimmt haben. Zwar hätte die Neisius–Stimme noch nicht ausgereicht, um die schwarze Mehrheit im Kreistag auszuhebeln, doch der Toto–Direktor soll sich bereits eine Woche vor der Landratswahl bei einer privaten Feier gebrüstet haben, jeweils bei der CDU und bei der FDP eine Stimme für die Wahl des SPD– Kandidaten eingekauft zu haben. Alfred Holzwarth ist im Saarland ein mächtiger Mann, ein enger Vertrauter des Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine und langjähriger Streiter an dessen Seite. Die Opposition von CDU und FDP will SPD–Chef Lafontaine auch in den Zeugenstand des Untersuchungsausschusses bringen. Dementiert hat Holzwarth die Vorwürfe bisher noch nicht. Allerdings behauptete der Toto–Direktor (Monatssalär rund 15.000 DM), daß der FDP–Mann selbst bei ihm angeklopft habe und wissen wollte, was er denn für die Stimme zugunsten des SPD–Kandidaten berappen wolle. Horst Rehberger, Fraktionsvorsitzender der FDP, ist sich sicher, daß „der Holzwarth, ein Intimus von Lafontaine“ nicht ohne Wissen des Ministerpräsidenten gehandelt habe. Nebenbei wurde dann auch bekannt, daß Horst Rehberger bei der diesjährigen Gemeinderatswahl in Marpingen die dortige Freie Wählergemeinschaft mit 2.000 DM vergeblich für eine gemeinsame Liste ködern sollte. Doch wenn es nur das wäre. Dem Grünen Gemeinderatsmitglied in Saarlouis, Hubert Ullrich, bot ein CDU–Mann und Manager eines Bekleidungshauses ebenfalls einen Job an, wenn er bei der Oberbürgermeisterwahl gegen den SPD–Kandidaten stimmen würde. Ein paar andere Schmieraffären werden die verschiedenen Parteien sicher noch aus dem Hut zaubern. Derzeit munitioniert man sich eifrigst für die Sitzungen des Untersuchungausschusses.