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„Uns Uwes“ fünfzigster Geburtstag

■ Lautere Gesinnung und Tore machten ihn zum Fußballheros

Der 5. November ist, wie das „Historische Kalenderblatt“ der Nachrichtenagentur ap beweist, ein bedeutsamer Tag im Buch der Geschichte. Im Jahre 1370 starb König Kasimir III., 1801 führte Jean Alexandre erstmals den elektrischen Nadeltelegraphen vor, 1985 eröffnete Kanzler Kohl die zweite Eureka–Konferenz - ohne dumm aufzufallen -, und am 5. November 1936 wurde Uwe Seeler geboren. Heute feiern wir seinen 50. Gebrutstag. Früh gereift und früh enthaart stürmte der Mann mit der hohen Stirn, die ihn jedoch nicht als Denker, sondern als Kopfballspezialisten auswies, bereits mit 17 in der Nationalmannschaft. Seine ersten vier Länderspiele gingen allesamt verloren, ein Tor schoß er auch nicht, also flog er erstmal wieder raus. Bei der Weltmeisterschaft 1958 in Schweden platzte jedoch der Knoten, und fortan war Seeler aus Herbergers berühmtem Notizbuch nicht mehr wegzudenken, und auch Nachfolger Helmut Schön fand Gefallen an ihm. In 72 Länderspielen erzielte er 43 Treffer. Bescheiden, arbeitsam und treu ging er lange Wege, sein Wahrzeichen waren die aufgekrempelten Ärmel. Er hob nur ab, wenn es galt, einen Ball per Fallrückzieher oder Flugkopfball in des Gegners Heiligtum zu befördern, und kein Skandal pflasterte seinen Weg. Sprichwörtlich wurde seine Bodenständigkeit, die ihn sogar dazu trieb, ein Angebot von Inter Mailand auszuschlagen. Eine glatte Million hätten ihm, der beim HSV 300 Mark monatlich verdiente, die Italiener für drei Jahre gezahlt, doch Uwe zog es vor, „der Jugend unseres Volkes ein Leitbild für die Lauterkeit der Gesinnung zu werden“, wie es der Hamburger Theologie–Professor Thielicke von ihm gefordert hatte. Das Volk dankte es ihm. Kein Sportler nach Schmeling und vor Boris Becker war populärer, selbst heute noch ist Seeler - mittlerweile erfolgreicher Sportartikelvertreter - die Attraktion zahlreicher Benefiz–Fußballspiele, mögen neben ihm noch so viele Overaths, Netzers oder Beckenbauers herumhüpfen. „Uns Uwe“ (ein Spitzname, mit dem nach Meinung vieler der Niedergang der Germanistik begann) ist gleichsam das letzte Exemplar der Spezies „aufrechter Sportsmann“, jenes Typus Mensch, dem Fairneß über alles geht, der aus dem Volk kommt und mit dem Volk tümelt, der nicht nur der Heimat, sondern auch sich selbst treu bleibt und dessen Lebenserfahrung in dem Satz gipfelt: „Es ist doch das Beste, nichts anderes als normal zu sein.“ Matti

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