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Bequemer Rechtsweg auf Kosten tamilischer Asylsuchender

■ „Prozeßökonomie“ läßt Stuttgarter Verwaltungsgericht gegen Asylantrag entscheiden / Bundesgericht erkannte auf „Terrorismusbekämpfung“ durch Militär

Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - Obwohl sie der festen Überzeugung sind, daß Tamilen in Sri Lanka politisch verfolgt werden, haben die Richter des baden–württembergischen Verwaltungsgerichtshofs jetzt den Asylantrag tamilischer Bewerber abgelehnt. Einziger Ablehnungsgrund: die nächsthöhere Instanz, das Bundesverwaltungsgericht, würde eine positive Entscheidung ohnehin wieder aufheben. „Aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Prozeßökonomie“ - so heißt es in dem erst jetzt bekannt gewordenen Urteil aus Stuttgart - „schließen wir uns der gegenteiligen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an.“ Hintergrund ist die umstrittene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom Dezember 1985, Tamilen nicht allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu ihrer Volksgruppe politisches Asyl zu gewähren. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten zahlreiche Verwaltungs– und Oberverwaltungsgerichte jahrelang Tamilen als politisch verfolgte Minderheit in Sri Lanka anerkannt. Kernpunkt ist jetzt die Frage, wie weit sich die Gerichte der unteren Instanzen entgegen ihrer eigenen Überzeugung einem höchstrichterlichen Urteil unterwerfen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte argumentiert, daß für die Pogrome an den Tamilen imSüden des Landes der sri–lankische Staat nicht verantwortlich zu machen sei. Und im Norden Sri Lankas sei die tamilische Zivilbevölkerung inzwischen zur Bürgerkriegspartei geworden. Gewalttaten des Militärs gegen Tamilen dienten daher der „Terrorismusbekämpfung“ und seien deshalb nicht als politische Verfolgung anzusehen. Obwohl gegen dieses Urteil des obersten Verwaltungsgerichts inzwischen Verfassungsbeschwerde eingelegt ist, schlossen sich ihm zahlreiche Verwaltungs– und Oberverwaltungsgerichte an und gingen so einem Konflikt mit der Gerichtshierarchie aus dem Weg. Die Baden–Württemberger Richter aber kamen in die Bedrouille: hatten doch gerade sie in ihren bisherigen Urteilen die unveränderte politische Situation in Sri Lanka für asylrelevant erklärt. So bestanden sie zwar auch in ihrem erneuten Urteil auf ihrer Überzeugung, daß Tamilen in Sri Lanka politische Verfolgung droht. Im Resultat jedoch gaben sie klein bei. Für die tamilischen Asylbewerber in Baden–Württemberg ist dadurch der weitere Rechtsweg in dieser lebenswichtigen Entscheidung verbaut - weils praktischer und billiger ist und die „Einheitlichkeit der Rechtsprechung“ nicht durcheinander bringt.

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