: Parksünder füllten Politikertaschen
■ Korruptionsskandal in New York / Private Eintreiberfirmen konkurrierten um das Geschäft mit säumigen Parksündern und zahlten reichlich an Behörden / Parteiboß der Bronx wegen Erpressung und Betrug von Jury für schuldig befunden
Aus New York Ute Büsing
Anfang des Jahres brach in New York City der größte Korruptionsskandal in der Stadtgeschichte los. Der hat schlicht mit „Knöllchen“ zu tun, den Strafzetteln für Falschparker. Zahlen die Parksünder nicht, werden private Eintreiberfirmen im Auftrag der Stadtverwaltung tätig. In der 7,5 Millionen–Metropole lohnt sich das Geschäft mit den Knöllchen so sehr, daß konkurrierende Eintreiberfirmen zehntausende Dollar Bestechungsgelder an Politiker zahlten, - die auf die zuständige Stadtbehörde „parking violations bureau“ (PVB) Einfluß nehmen konnten. Begehrte Einzugsverträge gab es nur gegen reichlich Schmiergeld. Nachdem bereits die halbe Stadtregierung wegen Bestechlichkeit ausgetauscht wurde, landete der „Knöllchen– Knaller“ vor Gericht. In New Haven im US–Bundesstaat Connecticut berät derzeit ein Schöffengericht darüber, ob es einen weiteren angesehenen Politiker der Stadt New York mit ei nem Schuldspruch wegen „Erpressung, Verschwörung, Betrug“ aus öffentlichen Ämtern und Ansehen drängen kann. Es geht um den 50jährigen demokratischen Parteiboß der Bronx und früheren stellvertretenden Bürgermeister Stanley Friedman. Der smarte Rechtsanwalt wurde am Dienstag für schuldig befunden, im größten Korruptionsskandal der New Yorker Stadtgeschichte als „dritter Mann“ die Stränge gezogen zu haben. Als „bribe broker“ (Schmiergeldvermittler) hat er gemeinsam mit seinen langjährigen Freunden, dem früheren Bezirksbürgermeister von Queens, Donald Manes, und dem früheren stellvertretenden Direktor des „parking violence bureau“ (pvb), Geoffrey Lindenauer, zehntausende Dollars von privaten Parkstrafgeld– Einzugsfirmen abgezockt. Donald Manes, im Prozeß als „fat 1“, also Oberboß der Korruptions– Mafia bloßgestellt, hat im März dieses Jahres, als der Vorwurf der Bestechlichkeit gegen ihn öffentlich wurde, Selbstmord verübt. Geoffrey Lindenauer (“fat 2“) hat alle öffentlichen Ämter verloren und fungierte im Prozeß gegen Friedmann als Kronzeuge der Anklage - im Austausch für einen minderschweren Schuldspruch in eigener Sache. Lindenauer erklärte vor Gericht, er habe jahrelang für Bezirksbürgermeister Manes als „bag man“ (Kofferträger) gearbeitet. Nur gegen das von Lindenauer „besorgte“ Bestechungsgeld wollte sich der einflußreiche Manes für eine bestimmte Strafzetteleintreibfirma „verwenden“. Geoffrey Lindenauer versprach sich außer seinem Anteil Manes „Amtshilfe“ bei dem von ihm ersehnten Aufstieg zum Chef des „parking violations bureau“. Nach Aussagen von Lindenauer hat Stanley Friedman als „fat 3“ in seiner Funktion als Rechtsberater schmiergeldzahlungswillige private Eintreiberfirmen auf seine und Manes Fleischtöpfe gelenkt. Ohne die Zahlung runder Summen an die „fats“ würde sich schwerlich ein lukrativer Stadtvertrag zur Verfolgung säumiger Parksünder erhandeln lassen, soll Friedman seinen Klienten beschieden haben. Für seine hilfreichen Dienste soll der Bronx–Boß selbst horrende Beraterhonorare kassiert haben. Eindeutige Zeugenaussagen Bei den siebenwöchigen Gerichtsanhörungen in New Haven wurde der dicke Zigarren paffende Friedman nicht nur von Lindenauer schwer beschuldigt. Ehemalige Bosse von privaten Strafzetteleintreiberfirmen, ehemalige Stadtpolitiker und ehemalige Freunde sagten gegen mildernde Umstände oder Straffreiheit in eigener Sache übereinstimmend gegen ihn aus. Um runde Dollars ging es auch in einem weiteren Hauptanklagepunkt gegen Friedman. Für die „Citisource“, an der er persönlich zu 18 Prozent beteiligt ist, versuchte der Bronx–Boß einen 22,7 Millionen schweren Stadt–Vertrag zur Herstellung handbetriebener Computer zur Erfassung von Parksündern zu erschleichen. Die Computer gibt es bis heute nicht mal im Rohbau. Aber Friedman, der sich den zuständigen Stadtbeamten lediglich als „Berater“, nicht aber als Miteigentümer der „Citisource“ ausgab, bekam den Vertrag. Für ihre „Mithilfe“ beim Vertragsabschluß soll der Bronx–Boß für „fat 1“–Manes und „fat 2“–Lindenauer jeweils „Citisource“–Anteile von 50.000 Dollar bereit gehalten haben. Friedman–Verteidiger und Staranwalt Thomas Puccio bestritt dies vor Gericht energisch. Sein Mandant habe die extra „Citisource“–Anteile für seine Frau und seine Kinder zurückgelegt, um denen eines Tages sagen zu können, seht her, das habe ich für euch getan. Der Kronzeuge „fat 2“–Lindauer selbst gab ein schlechtes Charakterbild ab. Auf sein Privatkonto sind insgesamt 410.000 Dollar in Bestechungsgeldern geflossen. Soviel konnte er als bloßer „Kofferträger“ für Donald Manes erwirtschaften. Mit gesenktem Haupt berichtete Lindenauer von seinen Praktiken als (offiziell nicht zugelassener) Sexdoktor.–Nachdem er im Winter 1985/86 bemerkte, daß ihn das FBI verwanzt hatte, stellte er sich der Bundesbehörde.Um die eigene Haut zu retten, „sang“ Lindenauer so sehr über seinen Bestechungsgeld–Freund Manes, daß der sich das Leben nahm. Kampf der Titanen „Am besten über den Sündenpfuhl bescheid wissen die, die sich darin suhlen“, wehrte US–Staatsanwalt Rudolph Giuliani in seinem Fünf–Stunden–Abschlußplädoyer Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussagen seines Kronzeugen Lindenauer ab. Beim als „Kampf der Titanen“ von 40 Reportern aufmerksam verfolgten Abschlußduell zwischen Guiliani und Friedman ging es zu wie bei einer Hochzeit. Auf der einen Seite des Gerichtssaals saßen die (demokratischen Partei–)Freunde des Angeklagten, auf der anderen die des nach höheren Politämtern strebenden (republikanischen) Anklägers. „Stimmt es, daß sie mit zwei Telefonanrufen 10.000 Dollar gemacht haben?“, fragte scharf der Ankläger. „Mit einem Telefonanruf“, verbesserte der Angeklagte gelangweilt. „Offensichtlich ist Friedman ein Anwalt, der mit seinen Beraterverträgen ne Menge Geld macht“, bemerkte ein Prozeßbeobachter. „Aber, ist das illegal?“ Nicht für Staranwalt Puccio. Der plädierte für Freispruch in einem „Verfahren mit 100 begründeten Zweifeln“. Für Staatsanwalt Guiliani ist die Sache indes klar: Stanley Friedman war der Schmiergeld–Vermittler, „fat 3“ im New Yorker Parking Violations–Korruptionsskandal. Richter Whitman Knapp scheint der Anklage–Seite zuzuneigen. Die sieben Frauen und fünf Männer, die derzeit im Namen des Volkes über „schuldig“ oder „unschuldig“ brüten, haben keine leichte Aufgabe. Bereits zu Beginn des Jahres sind zahlreiche Köpfe in den obersten Rängen der New Yorker Stadtverwaltung über dem PVB–Korruptionsskandal gerollt. Nur Bürgermeister Ed Koch will von der Bestechlichkeit fast aller seiner Commissioner, die etwas mit Verkehr(sverletzungen) und Transport zu tun hatten, nichts gewußt haben. Er blieb im Amt. Stanley Friedman ist ein „guter Freund“ vom Bürgermeister. Erst unlängst haben ihn die Demokraten als Bronx–Parteiboß im Amt bestätigt. Das letzte Wort hat der Angeklagte: „Ich fühle mich wie ein Baskettballspieler, der einen Punkt zurückliegt und zwei Freiwürfe braucht, um zu gewinnen.“ Ute Büsing
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