Studie zu „AIDS und die Dritte Welt“

■ Das internationale „Panos–Institut“ veröffentlicht die bisher umfassendste Studie über die weltweite Ausbreitung von AIDS / Forderung nach einer globalen Bekämpfungsstrategie

Aus London Rolf Paasch

Die „AIDS–Front der Menschheit verläuft in Afrika, nicht in den USA oder Europa“, so der erste Satz eines Reports mit dem Titel „AIDS und die Dritte Welt“. Herausgegeben wurde die am Mittwoch in London vorgestellte Studie vom Panos–Institut, dem Nachfolger der unabhängigen Umweltorganisation „Earthscan“. Nachdem die Weltgesundheits–Organisation (WHO) in ih ren letzten Zahlen für das Jahr 1990 von 50 - 100 Millionen Trägern des AIDS–Virus ausgeht, liegt mit dem Panos–Dossier nun die bisher vollständigste Beschreibung der Seuche als globalem, und nicht zuletzt als ein Nord– Süd–Problem vor. Vor allem die Schlußfolgerung der mit der Unterstützung von zahlreichen AIDS–Forschern aus verschiedenen Ländern zusammengestellten Bestandsaufnahme steht im Widerspruch zu der bisherigen Inter pretation der Forschungsergebnisse: Nicht 10, oder gar 40 der Träger des AIDS– Virus werden am Ende die Krankheits–Symptome entwickeln, sondern die Todesrate unter den AIDS–Trägern „könnte am Ende gar auf die 100 den Prozentsatz höher ansetzte, und daß Virologen privat schon höhere Zahlen handeln, als sie es in der Öffentlichkeit zugeben. „Wir mußten bei dieser Aussage, die wir nicht beweisen können“, so erklärte Instituts–Chef Joe Tinker der taz, „zwei Dinge abwägen: den negativen Effekt einer solchen Behauptung auf die Träger des Virus und den positiven Effekt, daß die Öffentlichkeit sich dadurch AIDS ernsthafter annimmt, als bisher.“ Neben der Präsentation des teilweise bereits bekannten Zahlenmaterials über die Ausbreitung von AIDS in den USA, Europa aber auch im Fernen Osten, behandelt das Dossier die Seuche vor allem im Kontext des Nord–Süd–Gefälles. So liegen beispielsweise die Kosten der Behandlung von 10 AIDS–Patienten in den USA über dem Gesamtetat für Zaires größtes Krankenhaus, wo die Hälfte aller neuzugelassenen Patienten AIDS–Kranke sind. Viele von ihnen werden danach wieder nach Hause geschickt, um die Betten für „hoffnungsvollere“ Fälle zu nutzen. Auch die Bekämpfung der Seuche wirft in Zentral–Afrika ganz andere Probleme auf als in Europa. Westliche Forscher, so die Studie, seien an der späten Reaktion der afrikanischen Regierungen auf die Seuche nicht ganz unschuldig. Der inhärente Rassismus ihrer längst widerlegten These vom schwarzen Kontinent als der „Brutstätte“ des Virus, habe dort zu emotionalen Gegenreaktionen geführt, die eine rechtzeitige Bekämpfung der Seuche verzögert hätten. AIDS, so schließt der Bericht, könne nur durch eine globale Strategie erfolgreich eingedämmt werden. In dieser Hinsicht werde die Reaktion der WHO von den meisten AIDS–Forschern als „völlig unzureichend“ angesehen. Kein Wunder, denn mit Ausnahme des Norwegischen Roten Kreuzes hat sich bisher noch kaum eine der Entwicklungshilfe–Organisationen der Bekämpfung von AIDS ernsthaft angenommen; und das „Globale AIDS–Programm“ der WHO bestand bis vor kurzem noch aus einem Arzt, einer Sekretärin, mit einem Fond von 3 Mio. $.