Götterdämmerung im Weißen Haus

■ Der „Große Kommunikator“ Reagan steht vor seinem tiefsten Fall / Aus Washington Stefan Schaaf

Mit der neuesten Wendung in Reagans Iran Kabale wird es für den Präsidenten nun wirklich ernst. Galten die Waffenlieferungen an Iran für sich genommen schon als kapitaler politischer Fehler, setzt die jetzt bekannt gewordene illegale Finanzierung der Contra mit dem Profit aus dem Geschäft der Affäre ihre Krone auf: Womöglich sieht sich Reagan wie einst Nixon bald mit dem Staatsanwalt konfrontiert.

Es blieb US–Justizminister Edward Meese vorbehalten, die jüngste Bombe im Iran Fiasko der Reagan–Administration platzen zu lassen: Oliver North, Drahtzieher für Geheimdienstoperationen des Nationalen Sicherheitsrats, ließ den Antisandinisten die Handelsspanne aus dem Waffenverkauf an das Khomeini–Regime zukommen. „Sind Sie mit ihrer Mannschaft zufrieden?“, wurde der Präsident am Montagmorgen von einem Fotografen gefragt, als er den südafrikanischen Zulu–Führer Buthelezi im Weißen Haus empfing. Die Antwort war so knapp wie vielsagend: gerade einmal ein zustimmendes Brummen war aus Reagans Kehle zu vernehmen. Wenn die am Dienstag bekanntgewordene neue Version der Affaire um den iranischen Waffen– und Geisel–Deal stimmt, mußte der Präsident wenige Stunden später äußerst Unangenehmes aus dem Munde seines Justizministers Ed Meese erfahren: Oliver North, führendes Mitglied des Nationalen Sicherheitsrats, hat während der letzten elf Monate dafür gesorgt, daß überschüssiges Geld aus dem Verkauf der Waffen an den Iran über Israel und ein Schweizer Bankkonto an die antisandinistische Contra in Mittelamerika geflossen ist. Diese Erkenntnis, die eine mehrstündige Befragung Norths ergeben hatte, mag der Grund für Reagans offensichtlichen Unmut gewesen sein. Meese gab sie am Dienstagmittag vor der Presse bekannt, unmittelbar nachdem Reagan überraschend den Rücktritt Sicherheitsberater Poindexters verkündet hatte. Gefeuert wurde außerdem Oliver North, der Mann, der im Mai dieses Jahres mit Robert McFarlane und einem Flugzeug voll Waffen via Israel nach Teheran geflogen war. Norths Name ist noch in einem anderen Zusammenhang bekannt: Er war es, der den Contras seit 1984, als der Kongreß weitere Militärhilfe abgelehnt hatte, Finanzhilfe aus privaten Quellen beschafft hatte. Die Geschichte, die Justizminister Meese den Medien auftischte, deutet auf mehrere Gesetzesverstöße durch Mitglieder der Administration hin. Gleichzeitig ist sie nicht glaubwürdiger als frühere Verlautbarungen des Weißen Hauses. Soweit läßt sie sich bisher darstellen: Die Waffen für den Iran - angeblich im Wert von 12 Millionen US–Dollar - wurden vom Pentagon der CIA zur Verfügung gestellt, die sie dann mit Hilfe israelischer Waffenhändler an den Iran verkaufte. Das Pentagon berechnete den Waffenhändlern den 1984 entrichteten Preis; dem Iran wurden von den Israelis aber der aktuelle (Schwarz–) Marktpreis berechnet, der um das Doppelte bis Dreifache höher gelegen haben soll. Dieser Extraprofit - ein Betrag, laut Meese, „zwischen zehn und 30 Millionen Dollar“ wurde auf ein Schweizer Bankkonto transferiert, auf das die Contra Zugriff hatte. Von diesem Arrangement habe außer North und zu einem gewissen Grad Poindexter lediglich noch Robert McFarlane, Poindexters Vorgänger als Nationaler Sicherheitsberater, gewußt. Weder die CIA noch das State Department noch der Präsident seien im Bilde gewesen, daß die eigentlichen Nutznießer des unseligen iranischen Deals die finanzschwache Contra war. Die Administration hat durch diese Transaktion höchstwahrscheinlich ein auf den Abgeordneten Boland zurückgehendes Gesetz gebrochen, das ihr zwischen 1984 und diesem Herbst untersagte, die Contra militärisch zu unterstützen. Das sogenannte „Boland Amendment“ wurde durch die neuerliche Bewilligung von Militärhilfe in diesem Herbst außer Kraft gesetzt. Fraglich ist jedoch, ob das Gesetz auf den über viele Umwege eingefädelten Deal anwendbar ist. Auf ärgerlichen Protest stieß die neuerliche Enthüllung nicht nur im Kongreß, sondern auch in Israel sowie bei Contra–Führern. In Israel wurde bestritten, Geld aus dem Iran in die Schweiz weitergeleitet zu haben, Antisandinistenführer Adolfo Calero leugnete gleichfalls jegliche Kenntnis einer derartigen Finanzquelle. Was die von Meese präsentierte Version so unglaubwürdig macht, ist der extreme Preisunterschied der Waffenlieferungen im Verlauf von anderthalb Jahren. Wahrscheinlicher ist, daß der Wert der an den Iran gelieferten Rüstungsgüter ohnehin sehr viel höher lag. Allein die 2.008 TOW–Antipanzer–Raketen hätten 20 Millionen Dollar gekostet, die 235 Hawk– Boden–Luft–Raketen je 250.000 US–Dollar.