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DGB/Grüne: Heikle Beziehungskiste

■ Veranstaltung der DGB–Bundesjugendschule Oberursel zum Thema „Gewerkschaften und Grüne“ wurde kurzfristig abgesagt / Vor der Wahl nicht opportun / Sympathie für die Grünen befürchtet

Von Martin Kempe

Berlin (taz) - Seit rund einem Jahr ist das Forum „Gewerkschaften und die Grünen“ im Programm der DGB–Bundesjugendschule in Oberursel ausgedruckt. Die Referenten sind geladen, und rund 40 Junggewerkschafter haben sich die zwei Tage am 9. und 10. Dezember im Terminkalender freigehalten, um den grünen Umweltminister Joschka Fischer, Helmuth Wiesenthal aus dem Bundesvorstand der Grünen, die für Jugend und Bildung im DGB–Vorstand zuständige Ilse Brusis und weitere grüne und gewerkschaftliche Prominenz zu erleben. Aber daraus wird vorerst nichts werden. Auf Beschluß des Geschäftsführenden DGB–Bundesvorstands vom letzten Montag wurde das Forum jetzt kurzfristig wieder abgeblasen. Die für ihre Offenheit gegenüber den neuen sozialen Bewegungen bekannte Oberurseler Schule wurde angewiesen, die eingeladenen Referenten wieder auszuladen und den Teilnehmern abzusagen. Begründung: eine solche Veranstaltung sei kurz vor der Bun destagswahl nicht opportun. Mit diesem Beschluß ist das ohnehin schwierige Beziehungsdrama zwischen Gewerkschaften und Grünen um eine weitere Variante reicher. Bisher waren offizielle Kontakte zwischen der Grünen Partei und DGB–Offiziellen häufig daran gescheitert, daß früher bereits aus den Gewerkschaften Politiker von den Gewerkschaften als Gesprächspartner abgelehnt wurden. Jetzt zeigt sich die DGB– Spitze bei solchen Veranstaltungen dialogunfähig, wo sie sich selbst die Vertreter der Grünen aussuchen kann. Die Veranstaltung sei nicht gänzlich abgesetzt, heißt es zu der Begründung für die von oben verfügte Absage. Nur der Zeitpunkt so kurz vor der Bundestagswahl sei eben denkbar ungünstig. Irgendwann im Frühjahr, jedenfalls nach der Wahl, könne dann ein neuer Termin angesetzt werden. Tatsächlich hat es wegen der Veranstaltung eine Auseinandersetzung innerhalb des DGB–Bundesvorstands gegeben. In einem Brief vom 21. November 1986 an den verantwortlichen Organisator der Veranstaltung im Oberurseler Hausteam, Werner Fiedler, schreibt der Leiter der Abteilung Umweltschutz in der Düsseldorfer DGB–Zentrale, Werner Schneider, er halte eine solche Veranstaltung während des Vorwahlkampfs „politisch für höchst bedenklich“. Besonders unverständlich sei dies auch deshalb, weil man innerhalb der Düsseldorfer DGB–Zentrale noch keine abschließende Bewertung des „Umbauprogramms der Grünen“ vorgenommen habe, die als Grundlage für ein „internes Gespräch“ des Geschäftsführenden DGB–Bundesvorstandes dienen könne. Weil also die Führung sich noch keine Meinung gebildet hat, so der DGB–Umweltschützer Schneider, „erscheint es höchst ungeeignet, diese Thematik vor einer internen Abklärung in die öffentliche Diskussion zu bringen“. Aber, so der Stand vom 21.11., wenn nun schon die Entscheidung gefallen sei, die Veranstaltung stattfinden zu lassen, bleibe nur noch zu hoffen, „daß diese Veranstaltung von Euch so vorbereitet wird, daß sie bei den dort teilnehmenden Jugendlichen deutlich für die Umweltpolitik des DGB–Bundesvorstandes wirbt“. Es sei doch klar, „daß die Gefahr besteht, daß bei den Jugendlichen die klaren und konsequenten Forderungen der Grünen eine vordergründige Sympathie erzeugen können“. Um einen, wie es in schönster Funktionärssprache heißt, „unkontrollierten Verlauf dieses Forums zu vermeiden“, habe er vorgeschlagen, nach den Referaten von Ilse Brusis und Joschka Fischer selbst die „grundsätzliche Position der Umweltpolitik des DGB–Bundesvorstandes“ in einem halbstündigen Referat vorzutragen. Nun kann er sich das bis auf weiteres sparen. Offensichtlich ist es Schneider gelungen, sein Vorstandsmitglied Michael Geuenich für eine Intervention im Geschäftsführenden DGB–Bundesvorstand zu munitionieren. Jedenfalls wurde die Entscheidung der vom Ressort her zuständigen Ilse Brusis, das Forum trotz der Bedenken Schneiders und auch der Industriegewerkschaft Chemie stattfinden zu lassen, zwei Wochen vor Beginn umgestoßen. Die Angst vor dem „Unkontrollierbaren“ war wieder einmal stärker als die Bereitschaft zu Diskussion und Auseinandersetzung.

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