Guerilleros „leihen“ Autos bei Deutscher Welle

■ Relaisstation des deutschen Staatssenders liegt in einem umkämpften Gebiet Sri Lankas / Intendant sieht Mitarbeiter nicht bedroht

Ende September kam der Ingenieur Ulrich Heberling, Mitarbeiter der Deutschen Welle (Köln) in Sri Lanka, bei einem Angriff der srilankanischen Luftwaffe in der Nähe der deutschen Relaisstation bei Trincomalee ums Leben. Die vom Bundesinnenministerium finanzierte Deutsche Welle hält jedoch an der Station an der Ostküste des südasiatischen Landes fest, obwohl die Region Spannungsgebiet im ethnischen Konflikt zwischen Singhalesen und Tamilen ist. Zur besseren Versorung der Sendegebiete in Süd– und Südostasien sowie in Afrika hatte die Deutsche Welle mit einem Kostenaufwand von über 60 Millionen Mark die Relaisstation in Sri Lanka aufbauen lassen. Diese empfängt über Satellit die Programme aus Köln. Von dort werden sie über Kurz– und Mittelwellensender in die Zielgebiete in Asien und Afrika weitergeleitet. Die Station war im Dezember 1984 betriebsfertig, mußte aber im Juni 1985 den Testbetrieb wegen ständiger kriegerischer Auseinanderset zungen zwischen tamilischen Guerilleros und srilankanischen Streitkräften einstellen. Bereits Anfang 1985 war eine Ausweitung der Aktivitäten der Guerilleros, die für einen eigenen Tamilenstaat kämpfen, von der nördlich gelegenen Jaffna–Halbinsel auf den Osten des Landes erkennbar. Das Stationspersonal der Deutschen Welle, das zunächst verhältnismäßig unbehelligt arbeiten konnte, wurde mehr und mehr mit militärischen Operationen konfrontiert. Nachtschichten mußten schließlich auf Drängen der verunsicherten Mitarbeiter - neben deutschen auch 80 lokale Kräfte -, die immer häufiger in Militärkontrollen gerieten, eingestellt werden. Wie erst später bekannt wurde, wurden mannigfache Zugeständnisse an die Guerilleros gemacht, um überhaupt geduldet zu werden. So waren die Mitarbeiter oft gezwungen, ihre Dienstfahrzeuge „auszuleihen“. Auf diese Weise wurde Anfang 1985 mit einem Fahrzeug der Deutschen Welle ein Überfall auf die Polizeistation im Ort Kuchchaveli durch die tamilische Guerilla verübt. Daß Dieseltreibstoff aus den Stationstanks „mitgenommen“ wurde, gehörte auch fast schon zum Alltag. Mitarbeiter mußten abgezogen werden Mitte Mai 1985 explodierten zum ersten Mal Minen auf den Straßen, die auch die Mitarbeiter der Deutschen Welle täglich benutzten. Die Leitung in Köln reagierte auf entsprechende Informationen jedoch nicht. Am 1. Juni 1985 wurde zum ersten Mal von einem Überfall auf die Relaisstation berichtet. Kurz danach wurde eine Brücke auf der Zufahrt zur Station von der Guerilla gesprengt. Das Hotel, in welchem der Stationsleiter sein Zimmer hatte, wurde am 10. Juni 1985 durch einen Sprengstoffanschlag zerstört. Die Lage verschärfte sich weiter, als sich die Regierung von Sri Lanka dazu entschloß, mehrere Tausend singhalesische Zivilisten in den Gebieten der nördlichen Ostprovinz zur „Verteidigung gegen die tamilische Guerilla“ zu bewaffnen. Diese sogenannten Bürgerwehren bildeten nun eine „dritte Kraft“ in dem Konflikt und machten das Gebiet noch unsicherer. Als sich die Lage weiter verschärfte, mußte die Deutsche Welle schließlich alle Mitarbeiter aus der Gegend der Station nach Colombo, der Hauptstadt Sri Lankas, abziehen. Zur Erhaltung der Anklagen wurden auf „freiwilliger Basis“ immer wieder deutsche Ingenieure nach Trincomalee entsandt, die oft in bedrohliche Situationen gerieten. Viele der Mitarbeiter weigerten sich anschließend, wieder in das Gebiet zu fahren. Sieben von elf Ingenieuren kehrten nach Deutschland zurück, und ein Teil kündigte das Beschäftigungsverhältnis mit der Deutschen Welle. Unter den Rückkehrern befand sich auch der Ingenieur Dieter Pelz, der anschließend noch einige Zeit in der Kölner Zentrale arbeitete, dort jedoch „wahrscheinlich wegen meiner unautorisierten Rückkehr auf Eis gelegt wurde“, wie er berichtet. Pelz betont, er habe weniger Angst vor der tamilischen Guerilla gehabt als vor „den unerfahrenen und teilweise barbarischen Armeesoldaten, die zu schnell in der Gegend herumschossen“. Intendant setzt auf Warnfarben Aufgrund der zahlreichen Vorkommnisse haben sich bereits im letzten Jahr der Personalrat und die Gewerkschaften in der Deutschen Welle für den Abzug aller Mitarbeiter eingesetzt. Aber auch nach dem Tod von Ulrich Heberling sieht es die Leitung in Köln anders. In einem Bericht des Intendanten der Deutschen Welle, Klaus Schütz (SPD), vom 3. Oktober nach Gesprächen in Sri Lanka heißt es: „Eine direkte Bedrohung für die Station besteht im Augenblick nicht. Beide an der militärischen Auseinandersetzung beteiligten Seiten respektieren die Existenz und die Anwesenheit unserer Mitarbeiter.“ Gleichwohl hat Schütz Schlußfolgerungen gezogen. Für die freiwillig im Land verbleibenden Beschäftigten sollen die Sicherheitsvorkehrungen erhöht werden. Dazu zählt unter anderem die Schaffung von Übernachtungsmöglichkeiten auf dem Gelände der Station, um die Gefährdung durch Fahrten zu entfernt liegenden Unterkünften zu verringern. Weiter soll der Funksprechverkehr erweitert und Fahrzeuge sollen mit Warnanstrichen versehen werden. Auch denkt die Deutsche Welle an die Beschaffung von Kleidung in Warnfarben für die Mitarbeiter. Daß diese „Schutzmaßnahmen“ tatsächlich Schutz bieten, wird allerdings zum Beispiel von den Grünen im Bundestag ernsthaft bezweifelt. Sie wollen jetzt in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung wissen, weshalb der Staatssender weiterhin an der Station in Trincomalee festhält und wie sie zu ihrer Verantwortung für die in Sri Lanka eingesetzten Mitarbeiter steht. Walter Keller/epd