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Dänemark macht Ernst mit Südafrika–Boykott

■ Heute tritt in Dänemark ein totaler Handelsboykott gegen Südafrika in Kraft / Parlamentsmehrheit hat sich gegen die Regierung durchgesetzt / Schwierig wird, die Einhaltung des Boykotts zu kontrollieren / In Schweden und Norwegen kündigt sich Nachahmung an

Von Reinhard Wolff

Kassel (taz) - „Die Finnen konzipieren ein Produkt, das die Schweden herstellen und die Dänen dann verkaufen“: Dänemark hat seinen Ruf als Handelsnation nicht nur in diesem skandinavischen Sprichwort schon lange gefestigt. Mit einem Land ist aber - Handelstradition hin, Sprichwort her - ab 15. Dezember endgültig Schluß: mit Südafrika. Das kleine Dänemark ist das erste westliche Land, das tatsächlich Ernst macht mit einem totalen Handelsboykott gegen das Apartheidregime. Zwar trug der gesamte Warenaustausch mit Pretoria zuletzt nur etwa 3 Prozent zu der dänischen Handelsbilanz bei, aber auf Teilgebieten wird der Boykott für Südafrika - und auch für einige dänische Firmen - durchaus empfindliche Folgen haben. So war Dänemark, das sich bei seiner Elektrizitätserzeugung fast ausschließlich auf Kohle stützt - ein wichtiger Abnehmer südafrikanischer Kohle. Angeblich hat der Kohleeinfuhrstopp schon zu Entlassungen in südafrikanischen Gruben geführt, die Dänen selbst sollen es nach dem Willen der Elektrizitätswerke an den Strompreisen merken, wenn jetzt teurere Importkohle verfeuert werden muß. Empfindlich werden auch einige dänische Reedereien betroffen sein, die es in der Vergangenheit noch nicht sein lassen konnten, ihre Schiffe zum Transport in südafrikanische Häfen zur Verfügung zu stellen. Obst aus Südafrika ist dagegen schon länger aus den einheimischen Supermärkten verschwunden: da hatten Boykottaufrufe von Verbraucherverbänden ein Einfuhrverbot vorweggenommen. 76 gegen fünf Stimmen hatte Ende Mai dieses Jahres im Folketing, dem Kopenhagener Parlament, das Abstimmungsergebnis gelautet, als über den totalen Handelsboykott abgestimmt worden war. Ein auf den ersten Blick erstaunlich einhelliges Abstimmungsergebnis. Im Folketing sitzen jedoch 179 Abgeordnete. Die Stimmenthaltungen und erstaunlich hohe Zahl nicht anwesender Abgeordneter bei der Abstimmung zeigen, daß das Votum so eindeutig nicht gewesen war. Kontrolle schwierig Die konservative Regierung unter Ministerpräsident Schlüter sah sich - wie häufig bei außenpolitischen Fragen - einer Parlamentsmehrheit gegenüber. Wegen Uneinigkeit in den eigenen Reihen der Minderheitskoalition ließ man den Gesetzentwurf der Sozialdemokraten und der Linksopposition passieren. Die däni sche Regierung ist gegen einen totalen Boykott - Schlüter: „Wir schneiden uns vor allem ins eigene Fleisch“ -, muß sich aber dem Willen der parlamentarischen Mehrheit fügen. „Es ist unmöglich, die Einhaltung des Gesetzes einigermaßen lückenlos zu kontrollieren.“ Mit diesem erstaunlichen Eingeständnis des mangelnden Vertrauens in die Fähigkeiten seiner eigenen Administration, weist Schlüter aber tatsächlich auf einen wunden Punkt hin: Inwieweit die Einhaltung des Boykotts kontrolliert werden kann, wird erst die Praxis zeigen. Schon in der Vergangenheit hatten sich Reedereien und multinationale Konzerne als überaus erfindungsreich erwiesen, wenn es darum ging, bestehende Aus– und Einfuhrverbote zu umgehen. Umpumpen von Erdöl auf offener See, Umdirigieren von Schiffsladungen oder auch Umbenennung von Schiffen waren nur einige der häufigeren Tricks. Der nur wenig verschleierte Hinweis des Regierungschefs, man werde die Kontrolle der Einhaltung des Handelsboykotts nicht unbedingt als vorrangige Aufgabe behandeln, wird dazu beitragen, daß die Südafrikakommitees nicht arbeitslos werden. Gerade der intensiven Arbeit dieser Gruppen ist es zu verdanken, daß Dänemark in punkto Handelsboykott eine derartige Vorreiterrolle spielt. Sie haben seit Jahren die Aktivitäten einzelner Firmen gebrandmarkt und zu gezielten Boykottaktionen aufgerufen. Banken und Ölmultis standen ebenso auf den Boykottlisten, wie Spielzeugfirmen und Popsänger. Die Gewerkschaften waren die ersten, die mit selbständigen Aktionen nachzogen, bis schließlich auch die Linksparteien schon fast nicht mehr anders konnten, als dieser Boykottbewegung auch eine gesetzliche Form zu geben. Folgt Nachahmung? Das dänische Beispiel wird ganz sicher nicht ohne Nachahmung bleiben. Innerhalb der schwedischen Sozialdemokratie wächst der Druck auf die Regierung, das geradezu als skandalös empfundene Verhalten Schwedens auf einer gesamtnordischen Konferenz im August zu revidieren. Damals war ein gemeinsamer Boykottaufruf an der Haltung der schwedischen Regierung gescheitert, die etwaigen UN–Aktivitäten gegen Südafrika nicht vorgreifen wollte. Durch die Kabinettsumbildung im Oktober, die auch den Posten des insoweit zuständigen Außenhandelsministers umfaßte, hat Ministerpräsident Carlsson auch schon vorsichtig die Weichen für einen anderen Kurs gestellt. Am letzten Wochenende wurden bei einer Parteiveranstaltung der Arbeiterpartei die Mitglieder bereits recht deutlich auf eine bevorstehende Gesetzesinitiative vorbereitet. Norwegens Arbeiterpartei–Regierung ist schon einen Schritt weiter: Ein Gesetzentwurf wurde im November ins Storting eingebracht, der ab Sommer nächsten Jahres geltendes Recht werden soll. Dieser Gesetzentwurf sieht im Prinzip ebenfalls einen totalen Handelsboykott vor, allerdings sind die Ausnahme– und Übergangsbestimmungen so weitgefaßt, daß in der Praxis vor allem ein Boykott der Öllieferungen herauskommen wird. Aber auch das ist für Pretoria eine recht empfindliche Angelegenheit: Schiffe unter norwegischer Flagge waren in der Vergangenheit für mehr als ein Viertel der gesamten Öleinfuhren des Landes gut. Zu einem gemeinsamen Vorgehen hat es zum Leidwesen der verschiedenen Südafrikakomitees noch nicht gereicht; mit einzelnen Ausnahmen, beispielsweise der von Norwegen, Schweden und Dänemark gemeinsam betriebenen Fluggesellschaft SAS, die mittlerweile ihre Südafrikaflüge eingestellt hat. Von Europa nach Südafrika fliegen abgesehen von der südafrikanischen Linie selbst jetzt nur noch British Airways, die holländische KLM, die belgische Sabena und - die bundesdeutsche Lufthansa.

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