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Kasachstan: Republik islamischer Tradition

■ Der Versuch, die Religion zurückzudrängen, ist mißlungen / Verstärkte islamische Identifikation

Berlin (taz) - Kasachstan ist eine der südlichen Sowjetrepubliken mit einer jahrhundertelangen moslemischen Tradition. Wie die anderen Gebiete dieses Kulturkreises - Aserbaidshan, Turkmenistan, Tadshikistan und Usbekistan wurde auch Kasachstan seit Anfang des 19. Jahrhunderts vom zaristischen Rußland kolonisiert und annektiert. Die sowjetische Strategie bestand darin, Turkestan in getrennte Staaten zu zerteilen, sie vom Rest der moslemischen Welt abzuschirmen und zugleich wirtschaftlich intensiv zu entwickeln. Der Islam ist seit Breshnew offiziell geduldet worden. 1971 wurde in Taschkent sogar eine neue Medrese, eine geistliche Hochschule, gegründet. Der Versuch, damit den religiösen Faktor zu zähmen, ist allerdings mißlungen. Bis in die Kolchosen und Staatsgüter hinein hat sich die Volksreligion gehalten. „Parallele“, d.h. nicht–registrierte Mullahs und religiöse Organisationen verstärkten ihre Aktivität. Die Zahl von religiösen Heilern vermehrte sich, die Wallfahrten zu Heiligtümern rissen nicht ab. Es waren vor allem illegale mystische Sufi–Orden, die Träger dieser Bewegung waren. Die Gefahr sah man in der für den Islam charakteristischen Identität religiöser und nationalistischer Denkweise. Die vom Iran aus propagierte Unvereinbarkeit von Islam und Kommunismus und die mögliche Sympathie mit den Aufständischen in Afghanistan ließ hier ein drängendes Problem entstehen. Islamische Identifikation hat seit den 80er Jahren auch auf gebildete Schichten übergegriffen. Mehrfach wurde in der Parteipresse kritisiert, daß sogar Parteikader die Moscheen besuchen. Zwei neuere Faktoren haben den Konflikt zusätzlich zugespitzt. Die moslemischen Südrepubliken gehörten zur Lobby der inzwischen gestoppten sibirischen Flußumleitungen. Noch auf dem Parteitag im Frühjahr dieses Jahres hatte der alte Parteichef Kunajew die Umleitungen öffentlich eingefordert. Zweitens sind diese Republiken, damit auch Kasachstan, zurecht von der Anti–Korruptionskampagne besonders getroffen worden. In einer Rede in Taschkent hatte Gorbatschow in der letzten Woche sogar gefordert, daß Führungsstellen nach dem neuen Prinzip Kompetenz und nicht so sehr nach Freundschaft und Familienbanden besetzt werden sollten. Auch dies hat heftigen Ärger ausgelöst. Erhard Stölting

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