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Ausbrecherkönig wieder in Haft

■ Nach der spektakulären Flucht aus der Bonner Uni–Klinik war Alfred Lecki drei Monate in Freiheit Zielfahndungskommando des BKA stellte den Unbewaffneten auf Sylt / Lebenslängliche Freiheitsstrafe

Berlin (taz) - Fast auf den Tag genau drei Monate nach seiner spektakulären Flucht aus der Bonner Universitätsklinik wurde der „Ausbrecherkönig“ Alfred Lecki am Samstag abend auf Westerland/Sylt verhaftet. Er wurde in das nordrhein–westfälische Justizkrankenhaus Fröndenberg/ Sauerland gebracht. Der als „gemeingefährlich“ geltende „Polizistenmörder“ leistete bei seiner Festnahme durch ein Zielfahndungskommando des Bundeskriminalamtes und ein Sondereinsatzkommando des Landes Niedersachsen keinerlei Gegenwehr. Oberstes Fluchtprinzip: Trickreich und gewaltfrei In seinem Besitz fand sich keine Waffe. Dazu hatte Lecki noch vor kurzem der taz erklärt, daß er die bei seiner letzten Flucht von einem Bewacher erbeutete Waffe zerlegt an zwei Zeitungen geschickt hatte, „als Beweis, daß ich mich nicht im Besitz einer Waffe befinde, und daß ich auch nicht die Absicht habe zu schießen“.Laut Lecki war die Flucht aus dem Krankenhaus ohne jegliche Gewalt vonstatten gegangen, „nur mit Schlaftropfen, die ich meinem Bewacher unbemerkt in den Tee getan hatte“. Nachdem der Mann eingeschlafen war, habe er die Klinik einfach „verlassen, das war alles“. Insgesamt gelangen Alfred Lecki während der siebzehn Jahre seiner Haft vier Ausbrüche. Im Oktober 1983 machte er sich während eines bewachten Einkaufsbummels davon. 1969 war er gemeinsam mit zwei weiteren Häftlingen mittels selbstgefertigter Nachschlüssel aus der JVA Essen entflohen. Seine erste Flucht gelang ihm 1968 aus dem Knast Berlin–Tegel. Damals hatte er sich nach eigenen Angaben in der hauseigenen Schreinerei ein Schrankteil als Leiter präpariert. Mit Hilfe dieses Teils überwand er die fünf Meter hohe Gefängnismauer. Anschließend fuhr er mit der U–Bahn „schwarz“ in die Freiheit.Leckis „Knastkarriere“ begann „mit 14 oder 15 wegen Fahrens ohne Führerschein“. Eigentlich hatte er die Fahrzeugbaufirma seines Vaters übernehmen wollen. Als ihm wegen weiterer Verkehrsdelikte der dazu unentbehrliche Führerschein auf Lebenszeit abgenommen wurde, geriet er auf die berühmte „schiefe Bahn“. Polizisten erschossen: Notwehr oder Mord? Nach einem Intermezzo als Teilhaber an einem Restaurant in Yugoslawien kam er zurück in die Bundesrepublik und schlug sich mit Banküberfällen durchs Leben. Den ganzen Haß der Strafverfolgungsbehörden zog er auf sich, als er während seiner Flucht 1969 einen Polizisten erschoß und einen anderen verletzte. Nach Leckis Ansicht war es eine „klare Notwehrsituation“. Die Gerichte sahen das anders und verurteilten den mehrfach Vorbestraften zu Lebenslänglich. Während seiner langen Haftzeit war Lecki schwer am Herzen erkrankt. Er erlitt einen Herzinfarkt. Besonders zu schaffen machte ihm ein komplizierter Splitterbruch am Bein. Durch falsche Behandlung hatte sich dort Knochenfraß gebildet. Aus diesem Grunde wurde er im September wegen eines notwendigen mikrochirurgischen Eingiffs aus der JVA Rheinbach ins Bonner Universitätskrankenhaus verlegt. „...noch mal ein paar Blumen sehen“ Mit seiner Flucht habe er seine „Gesundheit schonen und die nur noch geringe Lebenserwartung durch die lange Haft verlängern wollen“. Er habe den Rat eines Bochumer Knastarztes befolgt, der aufgrund seines Gesundheitszustandes gemeint habe, Abhauen sei für ihn das einzig richtige . Das habe er in die Tat umgesetzt und versucht, „noch ein paar Takte frische Luft zu schnappen, ein Bier zu trinken, mal ein paar Blumen zu sehen“. „Ich bin“, erzählte Lecki, „für jeden Tag dankbar, sozusagen als Toter auf Urlaub.“

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