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Polizeisperren in Shanghai

■ Trotz Versammlungsverbot weitere Proteste / Arbeiter sollen sich den Studenten angeschlossen haben / Shanghaier Zeitung: „Kriminelle Elemente“

Shanghai (ap) - Der verantwortliche Sekretär der Kommunistischen Partei Chinas in Shanghai hat am Montag eine Verordnung erlassen, nach der alle nicht genehmigten öffentlichen Versammlungen in der größten chinesischen Stadt verboten sind. Der Erlaß wurde am Vormittag an verschiedenen Stellen der Stadt auf Plakaten ausgehängt und gleichzeitig wiederholt im staatlichen Rundfunk verlesen. Das Verbot wurde mit Störungen der öffentlichen Ordnung und Verkehrsbehinderung durch die demonstrierenden Studenten begründet. Noch am Samstag hatte die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua die Demonstrationen für Demokratie und größere Mitspracherechte als verfassungsmäßiges Recht bezeichnet. Trotz eines starken Polizei– Aufgebots in der Innenstadt Shanghais zogen auch am Montag mehrere Hundert Studenten in einem Demonstrationszug vom Platz des Volkes zum Rathaus. Dabei durchbrachen sie eine doppelte Reihe von Polizisten. Auf mitgeführten Transparenten wiesen sich die Demonstranten als Studenten der Universität Schanghai und der Hochschule der Künste aus. Neben den allgemeinen Forderungen nach mehr Demokratie verlangten sie die sofortige Freilassung verhafteter Kommilitonen. Auf den Straßen in der Nähe des Rathausplatzes drängten sich am späten Nachmittag nach Schätzungen westlicher Journalisten zehn– bis fünfzehntausend Menschen, dem Anschein nach zumeist keine Studenten. Schon am Sonntag sollen sich den protestierenden Studenten auch Arbeiter angeschlossen haben, die wegen Gerüchten über bevorstehende Preiserhöhungen die Gelegenheit dazu nutzten, ihrem Ärger Luft zu machen. Fortsetzung auf Seite 6 In der Montagsausgabe der größten Tageszeitung von Shanghai, der Wenhui Bao, erschienen die ersten Berichte über die Demonstrationen der Vortage, nachdem die chinesisch–sprachige Presse bisher zu diesen Entwicklungen geschwiegen hatte. Ein hoher Partei–Funktionär warf den Studenten vor, Polizeibeamte attackiert und das Gebäude des örtlichen Volkkongreßes gestürmt zu haben. „Kriminelle Elemente“, hieß es in der Zeitung, hätten aus der „chaotischen Situation Nutzen gezogen Studenten in Shanghai wiesen diese Behauptungen zurück, räumten jedoch ein, daß am Sonntag abend auf einem Boulevard mehrere Minibusse umgestürzt worden seien. Auf vielfach gezogene Vergleiche mit den Studentenaktionen während der Kulturrevolution antworteten die Studenten: „Damals kam die Anweisung von oben und ging nach unten. Aber diesmal kam die Initiative von unten“.

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