: Smog verpestet die Bundesrepublik
■ Alarmstufe I in Kassel, Gießen, Oker und Harligerode / Bayerischer Kleinkrieg zwischen Umweltministerium und mehreren Städten / Kommunale „Frühwarnstufen“ ausgelöst / Durch Smog auch Hirne stark benebelt
Berlin (taz) - Die atemberaubende Luft in weiten Teilen der Bundesrepublik hat sich gestern weiter verschlechtert. Erstmals in diesem Winter mußte in Hessen und Niedersachsen Smogalarm der ersten Stufe gegeben werden. Dicke Luft lag außerdem über vielen Städten in NRW, Bayern und Baden–Württemberg. In Hessen wurde in Kassel und Gießen Smogalarm Stufe I ausgerufen. Für Kassel bedeutet dies ein Fahrverbot für alle Autos ohne geregelten Drei–Weg–Katalysator in der Innenstadt ab 24 Uhr. Kassel meldete 0,64 Milligramm Schwefeldioxid pro cbm Luft, Gießen 0,71 Milligramm bei einem Grenzwert von 0,6 Milligramm. In Gießen gibt es keine Auto– Sperrbezirke, sondern lediglich Vorschriften für die Industrie, ihren Schadstoff–Output zu drosseln. In Niedersachsen wurde für das Gebiet von Oker und Harligerode am Nordharz am frühen Dienstag morgen Alarm–Stufe I ausgerufen. Die Summe von Schwefeldioxid, Stickoxiden und Staub sei mehr als 72 Stunden über dem Wert von 1,1 mg gelegen. Ursache der miesen Luft am Rande des einzigen Wintersportgebiets in Norddeutschland sind neben der austauscharmen Wetterlage der Ausstoß der beiden Preussag Hüttenwerke und verschiedener chemischer Betriebe am Ort. Dazu komme, so das Umweltministerium, ein „Ferneintrag aus den östlichen Nachbarländern“. Der Smog–Alarmplan, der jetzt für Oker und Harligerode gilt, sieht bei Stufe I für die emittierende Industrie eine Produktionseinschränkung von 40 Prozent vor. Die vielen Autofahrer, die in den letzten Tagen besorgt beim Landkreis Goslar anriefen, haben allerdings nichts zu befürchten. Selbst bei Smog–Alarm der Stufe II ist in Niedersachsen ein Fahrverbot nur in den Städten Hannover und Braunschweig vorgesehen. In Bayern hat der Smog auch die Hirne vernebelt. Die Agenturen berichten von „erheblicher Verwirrung“. In Aschaffenburg, Wunsiedel und Hof wurde die Vorwarnstufe weiter aufrechterhalten. Nachdem das bayerische Umweltministerium aber bereits am Montag abend die Smog–Vorwarnstufe für den Raum Nürnberg, Fürth, Erlangen und Schwabach zurückgezogen hatte, riefen die vier Städte am Dienstag morgen eine eigene kommunale „Frühwarnstufe“ aus. Einem Beschluß der vier Städte zufolge wird diese Frühwarnstufe bereits bei Schwefeldioxidwerten von 0,3 Milligramm ausgerufen, während der Grenzwert der bayerischen Smogverordnung erst bei 0,6 Milligramm liegt. Die vier Städte sind die einzigen in ganz Europa, die eine derartige kommunale Frühwarnung praktizieren. Während die Stadt Nürnberg den Schwefeldioxidwert von neun Uhr mit 0,46 Milligramm angab, erklärte das bayerische Umweltministerium, zu diesem Zeitpunkt hätten alle Werte unter 0,4 Milligramm gelegen. Die höchste Luftbelastung in Bayern wurde am Dienstag mit 0,725 Milligramm bei Arzberg im Landkreis Wunsiedel gemessen. Gestern mittag um 12.30 Uhr wurde für das nordrhein–westfälische Smog–Gebiet 4 die Vorwarnstufe ausgerufen. Betroffen ist der Großraum Düsseldorf mit den Nachbarstädten Neuss und Meerbusch.
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