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Kohl erwog Lieferung fertiger U–Boote an das Apartheid–Regime

■ Kohls außenpolitischer Berater Teltschik sagt vor U–Boot–Untersuchungsausschuß aus / Der südafrikanische Premier Botha trug Kohl Wunsch nach U–Boot–Plänen vor / Genscher bereits im September 1983 informiert

Aus Bonn Ursel Sieber

Bundeskanzler Kohl hat höchstpersönlich ins Gespräch gebracht, ob im Hinblick auf die Schaffung von Arbeitsplätzen nicht „gleich ganze U–Boote“ nach Südafrika geliefert werden könnten. Diese Darstellung gab gestern Kohls außenpolitischer Berater Teltschik vor dem Untersuchungsausschuß, der sich mit der angeblich illegalen Lieferung von U–Boot–Plänen nach Südafrika befaßt. Teltschik gab an, er sei erstmals im Mai 1984 von dem früheren CSU–Abgeordneten und Rüstungslobbyisten Zoblmann auf die „U–Boot–Frage“ angesprochen worden. Einen Tag vor dem Besuch des südafrikanischen Premiers Botha sei Zoglmann noch einmal mit dem Hinweis gekommen, Botha werde Bundeskanzler Kohl auf die U–Boot–Frage ansprechen. Bis dahin sei von Zoglmann nur die „kleine Lösung“ genannt worden, sagte Teltschik weiter. (Unter „kleiner Lösung“ werden Fertigungsunterlagen plus militärische Hilfe verstanden). Beim Gespräch Botha–Kohl am 5. Juni 84 habe Botha dargelegt, er wolle ein Projekt ansprechen, das derzeit mit der Firma IKL verhandelt werde und wohl nur forgeführt werden könne, wenn sich der Bundessicherheitsrat damit befasse. Kohl habe ihm geantwortet, er werde sich „persönlich darum kümmern“. Daraufhin habe Botha den Gegenstand noch einmal aufgegriffen und erläutert, Südafrika werde dieses Projekt zur Verteidigung seiner Küsten und „das Know–how“ der Bundesrepublik „zum Bau der U–Boote–nutzen“, so Teltschik weiter. Nach dem Botha–Besuch habe Kohl dann darüber nachgedacht, ob man nicht die Lieferung von ganzen U– Booten prüfen sollte, wenn dies politisch und rechtlich zulässig sei. Diese Aussage würde Behauptungen der Firmen stützen: So schrieb IKL–Geschäftsführer an Bundesfinanzminister Stoltenberg, „Mitglieder der Regierung hätten sie gefagt, warum nicht die große Lösung (U–Boote) in Betracht käme“. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Teltschik sagte weiter, in einem Gespräch am 15. August 1984 mit Nohse, Zoglmann und dem HDW– Vorsitzenden Ahlers habe er Einzelheiten über das „U–Boot–Projekt“ erfahren. Dabei sei ihm mitgeteilt worden, daß Südafrika selbst an einer „großen Lösung“ (fertige U–Boote) nicht interessiert sei. Auch Südafrika hat offensichtlich Interesse daran, U– Boote selbst zu produzieren. Deshalb sei die „große Lösung“ nicht weiterverfolgt worden. Gleichzeitig betonte Teltschik, für die Frage einer Genehmigung habe er zwischen der Lieferung von Blaupausen oder fertigen U– Booten zu keinem Zeitpunkt einen „wesentlichen Unterschied“ gesehen. Den Firmen habe er, Teltschik, zusammen mit Staatssekretär Schreckenberger am 17. Oktober 84 mitgeteilt, daß keine Aussicht auf Genehmigung bestünde. Am 22. Januar 85 habe er im Auftrag von Kohl „noch einmal“ definitiv ein Nein übermittelt. Gefragt, ob im Kanzleramt nicht doch Unterlagen vorhanden seien, sagte Teltschik, bei den Gesprächen seien ihm von den Firmen zwar Unterlagen überreicht worden. Er habe sie jedoch nicht gelesen, und „dem Reißwolf“ übergeben, nachdem das „Nein“ für ihn feststand. Offen blieb die Frage, ob die von Teltschik angesprochene „kleine Lösung“ nur Fertigungs unterlagen oder nicht auch U– Boot–Teile umfaßte und damit die „mittlere Lösung“ darstellte. Die grünen Abgeordneten Eid und Müller nannten gestern acht Zuliefererfirmen mit Namen, die angeblich Teile der U–Boote über den Umweg der Türkei geliefert hätten bzw. noch liefern wollten. Weiter sagten die Grünen nach dem Studium der Akten, im Gegensatz zu früheren Aussagen sei Außenminister Genscher bereits im November 1983 über das U– Boot–Geschäft informiert gewesen. Genscher habe bereits im Oktober 1983 mehrfach mit Zoglemann darüber „konferiert“. Auch seien er und andere Minister damals bereits in Besitz eines Memorandums von IKL gewesen. Dieses Memorandum enthalte den Hinweis, wonach die Unterlagen für die U–Boote im Diplomatengepäck geliefert werden sollten.

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