P O R T R A I T Ein unbeugsamer Intellektueller

■ Die KP China schließt den bekannten kritischen Schriftsteller Lin Binyan aus und verbietet seine Bücher / Während der Kulturrevolution verfolgt und 1979 rehabilitiert

Von Jürgen Kremb

„Es ist nicht die Aufgabe eines Schriftstellers in der Partei, unterwürfiger und braver kleiner Beamter der staatlichen Propaganda zu sein,“ formulierte der am Freitag aus der kommunistischen Partei Chinas ausgeschlossene Schriftsteller Liu Binyan noch vor kurzem. Der 62jährige Liu, der 1944 in die KPCh eintrat, galt jahrzehntelang als einer der kritischsten Autor des modernen Chinas. (In seinen beiden Stücken: „Auf dem Bauplatz der Brücke“ und „Vertrauliche Nachrichten der Zeitung“,die schon vor der Machtübernahme der KPCh erschienen, forderte er bereits mehr Informationsfreiheit in den Reihen der KP.) 1952, lange vor der Kampagne „Laßt Hundert Blumen blühen“ gegen aufmüpfige Intellektuelle, wurde Liu in ein Arbeitslager eingewiesen. Er wurde mit zwanzig Jahren Schreibverbot belegt.Im Zuge der Kulturrevolution (1966–76) verfolgten und mißhandelten ihn Rotbrigardisten erneut. Erst 1979 erlebte der mutige Journalist auf Initiative des letzte Woche entlassenen Parteichefs Hu Yaobang seine Rehabilitierung. Im gleichen Jahr veröffentlichte er noch das Werk „Zwischen Menschen und Dämonen“, in dem er den Machtmißbrauch in der chinesischen Bürokratie scharf angreift. Dieses Thema sollte fortan Lius schriftstellerischer Schwerpunkt bleiben. Er rückte in die Redaktion des Parteiorgans „Volkszeitung“ auf und wurde zum stellvertretenden Vorsitzenden des chinesischen Schriftsteller– Verbandes gewählt. Doch mit seiner Kritik an der „veralteten Ideologie“ des Marxismus und der „degenerierten“ KP verschaffte Liu sich politische Feinde. Im letzten Jahr erschien „Mein Tagebuch“ sowie „Die zweite Art Loyalität“, worin er mit den korrupten Kadern der Shanghaier Marineschule journalistisch abrechnete. Die KP–Führung begründete den Ausschluß Lius aus der Partei mit seinen offen vorgetragenen Vorstellungen von einem „bürgerlichen Liberalismus“ westlicher Prägung.