Marsch gegen Rassendiskriminierung in Georgia

■ Am Samstag demonstrierten 25.000 Bürgerrechtler gegen Rassismus in den USA / Vor einer Woche griffen Ku–Klux–Klan–Anhänger eine Gedenkveranstaltung für Martin Luther King an / US–Behörden oft gleichgültig, obwohl sich rassistische Übergriffe häufen

Aus Washington Stefan Schaaf

Forsyth County, dreißig Meilen nördlich von Atlanta im ländlichen Georgia: Eine Hommage an Martin Luther King sollte wie jedes Jahr an den Geburtstag des Bürgerrechtlers erinnern. Doch dann holte die Vergangenheit die knapp hundert Marschierer auf brutale Weise ein. Steine und Flaschen flogen ihnen von einer Überzahl weißer Gegendemonstranten entgegen, die nichts hören wollten von Bürgerrechten und rassischer Gleichheit. Und vorgestern, acht Tage nach jener verhinderten Demonstration, waren sie wieder zur Stelle, allerdings wesentlich zahlreicher. Etwa 25.000 Menschen, schwarz und weiß, darunter Coretta Scott–King, Andrew Young, Jesse Jackson und Gary Hart, trotzten den Warnungen einiger Ku–Klux–Klan–Mitglieder und -Anhänger, man werde für Ärger sorgen. Ärger erwarteten auch die Staatspolizei und die National garde Georgias. Sie hatten deswegen mehr als zweitausend Beamte aufgeboten, die sich in voller Montur, mit Helmen und Schlagstöcken, auf unerfreuliche Szenen vorbereiteten. 55 der mehr als 1000 Rassisten, die es sich im übrigen nicht nehmen ließen, die Schwarzen als „Nigger“ zu beschimpfen und die gekreuzte Fahne der Konföderierten zu schwingen, wurden in Gewahrsam genommen. Doch es blieb während dieser größten Bürgerrechts–Demonstration seit den sechziger Jahren fast ausschließlich bei Wortgefechten. Forsyth County war von den Bürgerrechtsveteranen, die den ersten Marsch organisiert hatten, nicht ohne Zufall ausgewählt worden. Unter den 38.000 Bewohnern jenes Landkreises findet sich kein einziger mit schwarzer Haut, und das in einem Bundesstaat mit einem schwarzen Bevölkerungsanteil von 20 Prozent. Doch Forsyth County scheint in den fünfziger Jahren steckengeblieben zu sein - Schwarze sind nicht gern gesehen und bekommen es zu spüren. 1980 wurde Miguelito Marcelli, ein schwarzer Angestellter aus Atlanta, während eines Picknicks mit Freunden angeschossen und verwundet. In den siebziger Jahren wurden wiederholt halbfertige Häuser nachts in Brand gesetzt, weil an ihrer Erstellung schwarze Bauarbeiter beteiligt waren. Ältere Schwarze in der Region erinnern sich noch an die Vertreibung der letzten County–Bewohner mit dunkler Haut im Jahre 1912, nachdem im benachbarten Landkreis ein junges Mädchen vergewaltigt worden war - angeblich von einem Schwarzen, der kurz darauf gelyncht wurde. Die Zahl der Demonstranten am Samstag fiel wesentlich höher aus als erwartet, doch in den letzten Wochen haben sich die Anzeichen rapide gemehrt, daß rassistische Auffassungen in den USA erneut Zulauf erhalten. Weiße Soldaten hatten vor einigen Wochen nachts einen schwarzen Rekruten ihres Armeestandortes durch ein brennendes Kreuz - Symbol des Ku–Klux–Klan - eingeschüchtert, ohne daß sie dafür zur Rechenschaft gezogen wurden; und in New York machte der Tod eines schwarzen Jugendlichen Schlagzeilen, der von Weißen verprügelt und dann unter ein Auto getrieben worden war. Was regelmäßig ausblieb, war eine entschlossene Haltung der Behörden, den rassistischen Charakter dieser vielbeachteten Zwischenfälle zu verurteilen. Gleichgültigkeit, ja offene Feindseligkeit gegenüber den Errungenschaften der Bürgerrechtsbewegung ist die Regel. In Arizona etwa hatte der neugewählte republikanische Gouverneur nichts Eiligeres zu tun, als den Martin–Luther–King–Feiertag aus den Kalendern seines Bundesstaates zu streichen. Populär war dieser Schritt nicht: am Montag, als alle Bundesangestellten und die von 38 Bundesstaaten zu Ehren Kings der Arbeit fernbleiben konnten, gingen in Phoenix, der Hauptstadt Arizonas, zehntausend Demonstranten aus Protest gegen die Entscheidung des Gouverneurs auf die Straße.