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Siemens entsorgt die Atomschmiede KWU

■ Einzige deutsche Reaktorfirma wird aufgelöst und in die Konzernmutter überführt / Signal für den Rückzug aus der Atomindustrie

Berlin (taz) - Die Kraftwerk– Union (KWU), einziger noch verbliebener Hersteller von Atomkraftwerken in der Bundesrepublik, wird aufgelöst. Der Elektro– Riese Siemens wird die Konzerntochter zum 1. Oktober als unselb ständige Abteilung integrieren. Dies hat der Aufsichtsrat des Unternehmens jetzt beschlossen. Die Kraftwerk–Union hat in der Bundesrepublik seit 1982 kein Atomkraftwerk mehr verkaufen können, und auch die Auslandsgeschäfte stehen schlecht. Von Kennern der Atomindustrie wird die Auflösung als Signal für den Rückzug vom Atomgeschäft gesehen. Michael Sailer vom Darmstädter Öko–Institut, der die Konzernpolitik der KWU seit Jahren kritisch verfolgt hat, bewertet den Siemens–Schritt als Ausdruck für die enormen Schwierigkeiten des AKW–Herstellers und sprach von einem unübersehbaren allmählichen Rückzug. Der Leiter der Abteilung Wirtschaftspresse des Siemens–Konzerns, Posner, stellte gestern gegenüber der taz rein organisatorische Überlegungen in den Mittelpunkt. Da Siemens zum 1. April von der AEG auch die letzte 25–Prozent–Beteiligung an der Nürnberger Transformatoren– Union (TU) übernehme, wolle man die Sparte Energie jetzt gänzlich neu ordnen und das Know–how in der Konzernmutter zusammenziehen. Fortsetzung Seite 2 Kommentar Seite 4 Posner räumte allerdings auch wirtschaftliche Schwierigkeiten der KWU ein, da die Zeiten großer Expansion der Kernenergie „sicherlich vorbei sind“. Im großen Verbund mit der Konzernmutter lasse sich die Umorientierung der KWU, die „in andere Felder hineinwachsen“ müsse, optimaler durchführen, sagte Posner. Bereits heute habe das Engagement der KWU im nichtnuklearen Bereich, wie z.B. bei der Müllverbrennung, deutlich an Gewicht gewonnen. Die Kraftwerkunion hat gegenwärtig 14.200 Mitarbeiter. Ihr Umsatz fiel im vergangenen Jahr von 11,7 auf rund 3 Milliarden Mark. Im AKW–Bau wickelt sie derzeit die letzten drei Projekte (bis 1989) in der Bundesrepublik ab: die Atomkraftwerke Lingen II, Ohu II und Neckarwestheim II. Ein weiterer Auftrag für ein neues Atomkraftwerk liegt weder im Inland noch im Ausland vor. Alle Versuche der letzten Jahre, im Ausland ins Geschäft zu kommen, waren entweder an der scharfen internationalen Konkurrenz oder an der Zurückhaltung der Länder nach Tschernobyl gescheitert. So platzte zum Beispiel das Atomgeschäft mit der Türkei, die einen Reaktor mit abgemagertem Sicherheitskonzept erhalten sollte, ebenso wie der Verkauf eines Atommeilers an Ägypten oder eines Doppelblocks an China. Im Frühjahr vergangenen Jahres wollte die KWU mit der Schweiz ins Geschäft kommen und bewarb sich auf die Neuausschreibung des AKW Kaiseraugst. Auch in diesem Fall vergeblich. Schon im März vergangenen Jahres hatte der Vorstand der KWU auf einer Betriebsrätevollkonferenz in Berlin wegen der schlechten Marktaussichten bis 1990 einen Personalabbau von 25 Prozent prophezeit. Der riesige Personal–Pool und Produktionsapparat der KWU ist auf den Bau von sechs Atomkraftwerken jährlich ausgelegt. Doch ab 1990 sind nur noch Reparatur– und Wartungsaufträge angesagt. Siemens– Sprecher Posner wies denn auch auf die verstärkten Anstrengungen der KWU hin, im AKW–Service Fuß zu fassen und hier die Wartung von Atomkraftwerken anderer Firmen zu übernehmen. Als Versuch der Existenzsicherung der KWU muß vor diesem Hintergrund auch das Engagement im Firmenkonsortium für den Bau der Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf gesehen werden. Zusammen mit Nukem und Kraftanlagen Heidelberg ist die KWU Hauptauftragnehmer für die Errichtung der WAA. Manfred Kriener

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