: WSI–Geschäftsführer unter heftigem Druck
■ Politisch motivierte Kündigung des Technologieexperten Uli Briefs auf Druck der Gewerkschaften zurückgezogen Zweite an Briefs ergangene Kündigung wegen „exzessiver Außentätigkeit“ wird aufrechterhalten
Von Maria Kniesburges
Nachdem ihnen auch in den Vorstandsetagen der DGB–Gewerkschaften „haarsträubende Dummheit“ bescheinigt wurde, zeigen die Geschäftsführer des DGB–eigenen Wirtschafts– und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) das Bemühen, ihren gröbsten Schnitzer in Sachen Kündigung des WSI–Referenten Ulrich Briefs aus der Welt zu schaffen. „Die Geschäftsleitung des WSI zieht hiermit ihre vorgezeichnete Kündigung (vom Juni 1985) zurück,“ lautet die knappe, aber gewichtige Mitteilung aus der Chefetage, die Briefs und dem WSI– Betriebsrat im Dezember auf den Tisch flatterte. Der Haken: Zürückgenommen wird nur eine von zwei Kündigungen, die gegen Briefs ausgesprochenen wurden. Revidiert werden soll durch diesen überraschenden Federstrich der WSI–Geschäftsführer Spieker und Markmann die Kündigung, in der dem Technologiekritiker Briefs in nachgerade erfrischender Unverblümtheit sein allgemeinpolitisches Engagement im Gefüge der westdeutschen Demokratie zum Vorwurf gemacht wurde: Seine Kandidatur zum Bundestag für die Grüne Partei im Wahlkreis Recklinghausen. „Verstoß gegen das Prinzip Einheitsgewerkschaft“, „Mißachtung des grundgesetzlich garantierten passiven Wahlrechts“, „Demontage der gewerkschaftlichen Glaubwürdigkeit“, „Kopie schierer Unternehmerwillkür“, war der Tenor der zahlreichen Protestschreiben von Gewerkschaftern und Wissenschaftlern an die WSI–Geschäftsleitung und den Vorsitzenden des WSI–Kuratoriums, DGB–Chef Breit. Daß es sich dabei keineswegs um isolierte Proteste handelte, wurde spätestens deutlich, als die Gewerkschaftstage der IG Druck und Papier, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften und zuletzt der Gewerkschaftstag der IG Metall, der größten Einzelgewerkschaft im DGB, die Rücknahme der Kündigungen gegen Briefs forderten. Heftige Kritik wegen ihrer offen politisch begründeten Kündigung des Technologieexperten mußten die WSI–Geschäftsführer letztlich auch auf einer Sitzung des WSI–Kuratoriums einstecken, dem neben DGB–Chef Breit die Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften im DGB angehören. Hier wurden Markmann und Spieker zur Rücknahme der politisch begründeten Kündigung vom Juni 1985 aufgefordert. Mit der weiterhin bestehenden Kündigung vom Februar 1985 befaßte sich das WSI–Kuratorium nicht. Auch diese erste Kündigung hatte in den DGB–Gewerkschaften jedoch für erheblichen Wirbel gesorgt. In dem ersten Kündigungsschreiben wird dem für seine technologie–kritische Position bekannten WSI–Referenten neben innerbetrieblichen Querelen eine „exzessive Außentätigkeit“, sprich Schu–lungs– und Beratungstätigkeit für betriebliche Gewerkschaftsfunktionäre vorgeworfen. „Verkehrte Welt“, meinen dazu die mit den neuen Tech nologien immer stärker konfrontierten Betriebsräte. Sie wünschten sich im Gegenteil weitaus mehr gewerkschaftlich engagierte Wissenschaftler, die den Weg in die Betriebe finden, ließen sie die WSI–Geschäftsleitung und DGB– Chef Breit in ihren Protestschreiben wissen. „Kollege Briefs ist ein engagierter und in Fragen neuer Technologien hochqualifizierter Mitarbeiter, der immer bereit ist, seine Fähigkeiten zur Unterstützung der betrieblichen und örtlichen Gewerkschaftsarbeit einzubringen“, heißt es dazu auch in der vom IG Metall–Gewerkschaftstag verabschiedeten Solidaritätserklärung für Ulrich Briefs. Schon nach dieser ersten Kündigung äußerten Gewerkschafter und Wissenschaftler in ihren Schreiben an DGB–Chef Breit ihre Befürchtung, daß es weniger um „innerbetriebliche Querelen“ und „exzessive Außentätigkeit“ als vielmehr um die politische Ausgrenzung eines unbequemen Technologiekritikers gehe. Eine Befürchtung, die viele Gewerkschafter in der zweiten Kündigung wegen der Kandidatur für die Grünen unerwartet offen bestätigt sahen. Gestand die WSI– Leitung durch den nun erfolgten Rückzieher in punkto zweiter Kündigung zwar ein, daß sie den Kritikern in den eigenen Reihen gegenüber ganz offenbar in Argumentationsnot geraten war, so wird sich ihr „Lapsus“, wie sie es nennen, doch nicht so einfach aus der Welt schaffen lassen. Briefs jedenfalls zeigt keine Neigung, die Rücknahme der Kündigung sang– und klanglos zu akzeptieren. Nachdem eine so begründete Kündigung ein halbes Jahr lang durch eine gewerkschaftliche Organisation aufrecht erhalten wurde, soll über diese ebenso vor Gericht verhandelt werden wie über die noch bestehende vorangegangene Kündigung. Auch der WSI–Betriebsrat besteht nach wie vor auf der Rücknahme beider Kündigungen, wie dies ausdrücklich auch der Gewerkschaftstag der IG Metall, zum Beispiel, gefordert hatte. Die Kündigungsschutzklage wird erstmals am 19. Februar vor der ersten Kammer des Arbeitsgerichts Düsseldorf verhandelt. Bis zur Klärung der erstinstanzlichen Gerichtsverhandlung wurde dem WSI–Referenten mittlerweile die Weiterbeschäftigung zugesagt - auch das jedoch erst, nachdem die WSI–Geschäftsführer an die Beschlußlage im DGB erinnert wurden, der seit Jahr und Tag die Weiterbeschäftigung gekündigter Arbeitnehmer bis zur endgültigen gerichtlichen Entscheidung über die Kündigungsschutzklage fordert. Auch die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft ist mittlerweile mit dem Fall befaßt: Wegen versuchter Nötigung ihres Bundestagskandidaten haben die Grünen in Nordrhein–Westfalen Strafanzeige gegen die WSI–Leitung erstattet. Es sei davon auszugehen, so die Rechtsanwältin der NRW–Grünen, Ingrid Maas, daß das Kündigungsschreiben „geeignet sei, Briefs von seiner Kandidatur für die Grünen abzuhalten.“
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