: I N T E R V I E W Entscheidung von Steger muß revidiert werden
■ Mit der frischgebackenen hessischen Bundestagsabgeordneten der SPD, Heidi Wieczorek–Zeul (Mitglied des Bezirksvorstandes Hessen–Süd), zu den Perspektiven der rot–grünen Koalition in Hessen und zum ALKEM–Problem
taz: Am Wochenende traf sich in Bonn der sogenannte Frankfurter Kreis der SPD. War denn die prekäre Situation der rot–grünen Koalition in Hessen aufgrund der vorangekündigten ALKEM–Genehmigung dort Thema? Heidi Wieczorek–Zeul: Eine Reihe von Rednerinnen und Rednern hat die Situation angesprochen, mit dem Tenor, daß erreicht werden muß, daß die Koalition in Hessen nicht scheitert und daß die Glaubwürdigkeit der SPD keinen Schaden nimmt. Dabei ging es nicht prinzipiell um ein Bündnis mit den Grünen. Wir vertreten als linke Sozialdemokraten bestimmte Inhalte, die Forderung nach Ausstieg aus der Kernenergie, nach Nichteinstieg in die Plutoniumwirtschaft oder nach dem entsprechenden Ausstieg, die Abschaffung der Atomwaffen. Die Frage nach Koalition messen wir daran, mit wem wir diese Positionen am besten durchsetzen können. Unter diesen Gesichtspunkten muß der Konflikt in Hessen bewertet werden. Ich denke, daß die Forderung, keine Plutoniumverarbeitung bei ALKEM zuzulassen, der SPD–Position entspricht, und daß von daher, schon aus Sorge um die Glaubwürdigkeit der SPD, die Entscheidung von Steger revidiert werden muß. Was konkret wird die SPD jetzt unternehmen, um diese Entscheidung von Steger zu re vidieren, die ja - laut Joschka Fischer - das „Ende der Fahnenstange“ für die Koalition bedeutet ... Das ist es, was mich prinzipiell an der Sache ärgert, daß solche Entscheidungen jetzt aufgrund der Haltung der Grünen revidiert werden müssen. Denn es gibt hinreichende Klarheit darüber in der SPD, daß wir - in einem glaubwürdigen Zeitraum - aus ALKEM aussteigen wollen. Das ist eine Position der SPD. Der eigentliche Entscheidungsdruck, der besteht, das sind nicht die Forderungen der Grünen, sondern die Beschlüsse der SPD. Aber die Positionen der Landesregierung, die des Herrn Steger, ist es doch, ALKEM noch zehn Jahre lang mit Plutonium hantieren zu lassen. Da ist doch ein Widerspruch? Das sind Positionen, die nicht mit der Beschlußlage der Partei übereinstimmen. Welche Forderungen stellt dann die Partei an die hessische Landesregierung? Wir haben als Bezirksvorstand der hessischen SPD eine entsprechende Beschlußvorlage für den Parteitag im Februar erarbeitet. Ich sage es noch einmal: Diese Positionen des Wirtschaftsministers der hessischen Landesregierung muß revidiert werden. Ich möchte noch einmal aus diesen Beschlüssen zitieren: „Die Verarbeitung von Plutonium in den Hanauer Nuklearbetrieben wird noch 1986 unterbunden, indem der Antrag auf Genehmigung der Brennelementfertigung bei der ALKEM abgelehnt wird.“ Das ist ja nett, daß das da drin steht. Aber das entspricht doch nicht den harten Realitäten ... Du hast ja recht, ich sage ja auch nur, was die Mehrheitsposition innerhalb der SPD ist. Wir müssen jetzt dafür sorgen - unabhängig vom Verhalten der Grünen -, daß die Beschlußlage der SPD zum Tragen kommt. Übt die Partei jetzt Druck auf Steger und die Landesregierung aus? Hat Steger seinen Hut zu nehmen, weil er gegen Parteitagsbeschlüsse gehandelt hat? Ich habe das Ziel genannt. Wie es erreicht werden wird, darüber spekuliere ich jetzt nicht. Es wird jetzt sehr engagierte Diskussionen geben... Zum Diskutieren wird wohl nicht mehr viel Zeit bleiben im Hinblick auf die Landesversammlung der Grünen am 8. Februar. Was passiert denn nun konkret? Ich will jetzt hier keine Einzelheiten nennen. Das, was Steger angekündigt hat, wird keinen Bestand haben. Soviel kann ich sagen. Das Interview führte K.–P. Klingelschmitt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen