: Grüne: Geheimnisschutz oder Gewissensfreiheit?
■ Die Grünen fordern Sitze in den Geheimausschüssen / Altparteien wollen mit allen Mitteln eine Beteiligung verhindern / Grüne gelten als „Sicherheitsrisiko“ / Die neue Fraktion der Grünen diskutiert mögliche Kollisionen zwischen Geheimhaltungspflicht und grünen Prinzipien
Aus Bonn Matthias Geis
„Das können wir diesen Sicherheitsdiensten und der Sicherheit der Republik nicht zumuten.“ So verdeutlicht Alfred Dregger für die Unionsfraktion, was von grüner Mitwirkung in den Bundestagsgremien zur Überwachung der Geheimdienste zu halten sei. Ganz so einfach wie in der letzten Legislaturperiode dürfte diesmal der Ausschluß der Grünen nicht gelingen. Denn aufgrund der neuen Fraktionsstärke steht ihnen zumindest einer der acht Sitze in der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) zu. Darüberhinaus fordern die Grünen einen Sitz im Kontrollausschuß für die Geheimdienstfinanzen sowie im G–10–Ausschuß, in dem über Eingriffe in das Post– und Fernmeldegeheimnis informiert wird. Da in diesen beiden Gremien nur je fünf Abgeordnete vertreten sind, können die Grünen - anders als bei der PKK - keinen formalen Anspruch geltend machen. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht 1985 den Ausschluß der Grünen von der Finanzkontrolle der Dienste „aus zwingenden Gründen des Geheimschutzes“ für rechtens erklärt. „Wie der Teufel das Weihwasser“, so der Noch–Abgeordnete Ströbele, fürchten die Altparteien eine grüne Mitgliedschaft in den entsprechenden Gremien: deren fraktionsübergreifendes Stillhalteabkommen gegenüber geheim dienstlichen Machenschaften würde mit einer grünen Ausschußpräsenz durchbrochen. Allerdings warnt Ströbele nachdrücklich vor der „Illusion“, eine PKK unter grüner Beteiligung könne eine wirkliche, demokratische Geheimdienstkontrolle gewährleisten. In der Frage des Geheimnisschutzes sieht Ströbele einen „grünen Konsens, die parlamentarischen Spielregeln einzuhalten“. Wenn man einem Skandal auf der Spur sei, gäbe es genügend andere Möglichkeiten, Informationen auch jenseits des Geheimnisverrats zu nutzen. Hubert Kleinert, Realo–Abgeordneter aus Hessen, sieht in dieser Frage ebenfalls „Einvernehmlichkeit“ in der Fraktion: „Wir halten uns an die bestehenden Gesetze; alles andere wäre politisch töricht.“ Kleinerts Vorsicht scheint nicht unbegründet, denn der vermeintliche laxe Umgang mit geheimhaltungspflichtigen Informationen könnte der Regierungskoalition als Vorwand dienen, die grüne PKK–Präsenz doch noch zu umgehen: eine mit Koalitionsmehrheit durchgesetzte Verkleinerung des Gremiums würde die Grünen um ihren Anspruch bringen Trotzdem wird auch in der neuen Fraktion über mögliche Kollisionen zwischen Geheimhaltungspflicht und grünen Prinzipien diskutiert; längst nicht alle Abgeordnet/innen wollen sich bedingungslos auf die Geheimschutzparagraphen einschwören lassen. Antje Vollmer etwa verweist auf das „nicht suspendierbare Prinzip der Gewissensfreiheit“; Regula Schmitt–Bott, Ökosozialistin und Neu–Abgeordnete aus Hamburg, plädiert dafür, „im Einzelfall“ zu überlegen, „ob ein Vorgang veröffentlicht werden muß“. Eine „Unterordnung unter das Diktat der Mehrheit“ könne es hier nicht geben. „Warum sagen wir nicht ganz offensiv: Nein?“, fragt Petra Kelly. „Alle Dinge, die im Parlament diskutiert werden, müssen an den Bürger gelangen.“ Im Gegensatz zu Kleinert hält sie es für schwierig, in dieser Frage eine einheitliche Haltung herzustellen. Denn, so Kelly, „die Kluft zwischen konservativen und radikalen Abgeordneten“ sowie „die Bejahung des Parlamentsapparates“ seien in der neuen Fraktion größer geworden.
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