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Gefahr unterschätzt

■ Wissenschaftler–Hearing über die gesundheitlichen Gefahren, die die Luftschadstoffe hervorrufen

Im Rahmen eines Hearings vor dem Ausschuß für Gesundheit des Bundestages haben Wissenschaftler schon vor zwei Jahren über die gesundheitlichen Gefahren durch Luftschadstoffe diskutiert: Professor Schlipköter, Universität Düsseldorf: Aus den USA und Großbritannien liegen zahlreiche Untersuchungen über den Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und Mortalität vor. Es ist zu befürchten, daß die Luftverunreinigungen und ihre Auswirkungen bei uns noch ungünstiger als in den USA zu bewerten sind. So ist in der Bundesrepublik die Sulfatkonzentration in der Luft doppelt so hoch. Andreas Jahn, TU Berlin: In den West–Berliner Innenbezirken ist bei den über Siebzigjährigen ein Mortalitätsanstieg von 14,8 Prozent an den höchstbelasteten Tagen zu verzeichnen. In welchem Ausmaß führen Luftverunreinigungen zu Atemwegserkrankungen? Professor Haupt, Chefarzt in Duisburg: Schwefeldioxide und deren Umwandlungsprodukte können über Reizwirkung, lokale Enzymhemmung und Allergie zu Schädigung oder Krankheitsauslösung führen. Die Auslösung von Asthmaanfällen ist bekannt. Weiter sprechen eine Reihe von Befunden dafür, daß die Einatmung dieser Stoffe Symptome des Krupp–Syndroms verstärken oder auslösen kann und ungünstige Wirkung auf obstruktive Bronchitis ausüben kann. Professor Schlipköter: Die Kombination von SO2 mit den übrigen Luftschadstoffen kann zu einer Wirkungssteigerung auf das Fünf– bis Zehnfache führen. Professor Wassermann, Universität Kiel: Chronische Belastung des Menschen durch schleimhautreizende Luftschadstoffe bereitet die Ausgangsbasis für die Entwicklung eines Lungenkrebses. Welche Untersuchungen liegen über die Ursachen des Anstiegs des „Krupp–Hustens“ bei Kindern vor? Dr. Mersmann, Kinderarzt, Essen: Die Krankheit wird in der Regel durch Viren ausgelöst, tritt somit überall in der Bundesrepublik auf, jedoch etwa achtmal weniger in einem relativen Reinluftgebiet. Diplom–Biologe Dieter Teufel, Heidelberg: Die Konzentrationen, ab denen das Krupp–Syndrom verursacht wird, liegen bei rund 0,16 Milligramm Schwefeldioxid und 0,17 Milligramm Schwebstaub als Kurzzeitwerte. Dies sind etwa 40 bzw. 60 Prozent des zulässigen Grenzwertes. Welche Auswirkungen auf den menschlichen Organismus haben die Staubniederschläge? Professor Wassermann: Das Gefährdungspotential von „Staub“ wird weithin unterschätzt. In erster Linie werden selbstverständlich die Atemwege direkt geschädigt (zum Beispiel chronische Bronchitis), es können aber auch Vergiftungen des Körpers verursacht werden, die sich durch sehr unspezifische Symptomatik äußern können, wie Abfall der körperlichen Leistungsfähigkeit, Unwohlsein, Schwächung der Immunabwehr und daher häufigeres Auftreten von Infektionskrankheiten, bis hin zu psychosomatischen Störungen. Einen Zusammenhang zwischen Staubbelastung und Kehlkopfentzündungen werden die Fachärzte für Hals–, Nasen– und Ohrenkrankheiten bestätigen können sowie jeder Mensch, der nach nur 15minütiger Exposition auf stark durch Kfz–Verkehr belasteter Straße die Leistungsfähigkeit seines Kehlkopfes überprüfen kann. Wie erklären Sie sich den Anstieg von plötzlichen Kindstodfällen (Sudden Infant Death Syndrome, SIDS), vor allem in Luftbelastungsgebieten? Professor Wassermann: Zur Aufklärung des Zusammenhangs zwischen SIDS und der Luftverschmutzung in der Bundesrepublik reichen die vorliegenden Zahlen nicht aus. Dieter Teufel: Die überzeugendste Hypothese über die plötzlichen Kindstodfälle ist die Verursachung durch Luftverunreinigungen. Die vorliegenden Befunde stehen in Übereinstimmung mit bekannten Folgen von Luftverschmutzungen.

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