: Ein eindringliches „Strip–Strip–Hurra“
■ Männer–Karneval unter Polizeischutz / Frauen protestieren gegen sexistische Herrensitzung in Geilbock–Rauxel Der Veranstalter findet die Demonstrantinnen „engstirnig und niveaulos“ und will sie mit Sagrotan behandeln
Von Petra Bornhöft
Castrop–Rauxel (taz) - Unter Polizeischutz verschaffte sich gestern eine unbekannte Zahl von (Bieder–)Männern Zutritt zur „frechsten und frivolsten Karnevalssitzung in Castrop– Rauxel“. Etwa 80 empörte Frauen und einige Männer empfingen die Herren mit Kondomen, Wichstüchern und einem Transparent: „Willkommen in der Stadthalle zu Geilbock– Rauxel“. Die Demonstranten versperrten den Haupteingang, so daß sich die Karnevalisten durch Seiteneingänge schleichen mußten. Ein Mann schaffte es nur im „Sex–Taxi“, einem Polizeiauto. Sichtlich unwohl bei ihrem „Liebesdienst“ fühlte sich die Mehrheit der 30 Beamten. Eingeladen zur ersten Herrensitzung in öffentlichen Räumen hatte die Forum GmbH, eine Veranstaltergesellschaft unter kommu naler Kontrolle. Sie lockte „nur für Herren“ auf einem Plakat mit „Karibik–Show, Go–Go– Girls und vielen nackten Tatsachen“, unmittelbar nach dem Kirchgang. Für die ganz doofen Stielaugen–Voyeure heißt es auf dem Plakat in besonders großen Lettern: „Sexy, Sexy, Sexy“. 38 DM kostete der Spaß, immerhin billiger - weil mit Steuergeldern bezuschußt - als der Puff. Angemacht von der sexistischen Werbung fühlten sich jedoch auch viele Frauen in der Revierstadt. Sie sorgten dafür, daß das Plakat aus öffentlichen Räumen verschwand, protestierten beim Veranstalter, Forum–Geschäftsführer Walter Rettl. Der fand die Damen „engstirnig und niveaulos“. Im Gespräch mit der taz beschrieb er seine Besucherinnen als „abgetakelte Grüne, für die man fünf Zuber Sagrotan gebraucht hätte, um diese Weiber anzufassen“. SPD–Bürgermeister Hugo Paulikat, Aufsichtsratsmitglied der Forum GmbH, dem die Frauen ein Protestschreiben überreichten, fand nichts Befremdliches an dem Karnevalstreiben. Man müsse Männern und Frauen „zugestehen, eigene Veranstaltungen zu besuchen“. Über den Verlauf der Herrensitzung können wir leider nicht berichten, da weibliche Berichterstatterinnen nicht so gern gesehen waren. „Können Sie sich vorstellen, als Frau zwischen 500 Männern zu sitzen, die trinken und sich amüsieren wollen?“ fragte Rettl. Warum nicht, die Herren dürften sich doch unter Kontrolle halten können. „Nein, ab 1,2 Promille werden Aggressionen gegen Sie frei werden, und man wird Sie auf dem Stuhl hinaustragen.“ Auf die Frage, was das denn wohl für eine entfesselte Show sei, antwortete der Veranstalter: „Es ist ganz normaler Karneval, wie er in allen Städten gefeiert wird.“
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