Holger Börner wirft das Handtuch

■ Neuwahlen in Hessen voraussichtlich am 5. April / Hans Krollmann neuer Ministerpräsidentenkandidat der SPD / Neuauflage der rot–grünen Koalition wird von Krollmann nicht ausgeschlossen / CDU–Wallmann meldete Ansprüche an / Wahlkampf hat begonnen

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Wiesbaden (taz) - Nach einer dramatischen Sitzung des Landesvorstands der hessischen SPD warf der noch amtierende Ministerpräsident Holger Börner (SPD) gestern in Wiesbaden das Handtuch. In einer Erklärung, die er vor dem Landesvorstand der Partei abgab, teilte Börner mit, daß er „nach reiflicher Überlegung“ zu dem Schluß gekommen sei, sein Amt als Vorsitzender der hessischen SPD zur Verfügung zu stellen. Er nannte seine angeschlagene Gesundheit als Grund für seine Entscheidung. Als seinen Nachfolger schlug Börner Hans Krollmann vor, der „mit großem Sachverstand, Integrationskraft und Einsatz für unsere Ideale“ eine „hervorragende Leistung“ in der Landespolitik vollbracht habe. Landesvorstand und Fraktion der SPD billigten im Anschluß die Entscheidung Börners, die wohl nicht ganz ohne Druck des Landesvorstands gefallen war. Der auf Wunsch von Holger Börner am Montag von der SPD eingebrachte Antrag auf Stellung der Vertrauensfrage durch den Ministerpräsidenten, der der SPD eine Verzögerung des Wahltermins erlaubt hätte, war gestern kein Thema mehr. Der neue SPD–Chef Hans Krollmann, der in seinen Ämtern als Parteivorsitzender und Mini sterpräsidentenkandidat noch von einem Sonderparteitag am 21. Februar bestätigt werden muß, kündigte an, daß die SPD–Fraktion in der kommenden Woche einem der drei vorliegenden Landtags–Auflösungsanträge zustimmen werde. Damit ist der Weg für Neuwahlen in Hessen frei. Der Ältestenrat des Parlaments beschloß gestern abend, die Neuwahlen am 5. April abzuhalten. Während einer Pressekonferenz nach der gemeinsamen Sitzung von Landesvorstand und Fraktion verkündete Krollmann, daß er gedenke, nach den Wahlen „Regierungschef einer sozialdemokratisch geführten Landesregierung“ zu werden. Noch gebe es einen „Vorrat an Gemeinsamkeiten mit den Grünen“, meinte Krollmann weiter, so daß - bei entsprechenden Konstellationen - eine Zusammenarbeit nicht generell auszuschließen sei. An die Adresse der Grünen und der linken Kritiker im eigenen Lager richtete Krollmann den Appell, Parteitagsbeschlüsse zukünftig doch bitteschön nicht mit der politischen Durchsetzbarkeit derselben zu verwechseln: „Hier müssen Grüne und Sozialdemokraten dazulernen.“ Krollmann gab weiter zu verstehen, daß sich an der Haltung der SPD in Sachen ALKEM auch unter seiner Regie nichts ändern werde. Mit Bedauern und Respekt nahm der SPD–Vorsitzende Brandt die Entscheidung Börners zum Rücktritt zur Kenntnis. Fortsetzung Seite 2 Kommentar Seite 4 Trotz der Zustimmung der hessischen Genossen zur Plutonium– Produktion bei ALKEM bleibe die SPD bei ihrem Ziel der Verhinderung der Plutoniumwirtschaft. Der „Herausforderer“, Bundesumweltminister Walter Wallmann, tauchte gestern gleichfalls in Wiesbaden auf. Der „bundesdeutsche Atompapst“ (Fischer) stellte im Rahmen einer Pressekonferenz fest, daß die rot–grüne Politik gescheitert sei: „Die SPD ist regierungsunfähig geworden.“ Die Ernennung von Krollmann, so Wallmann weiter, sei kein Wechsel in der sozialdemokratischen Politik, sondern die Garantie für die Fortsetzung des „rot–grünen Chaos“ nach den Landtagswahlen. Die Frage, ob er nun seinen Bonner Ministersessel räumen würde, um in Hessen glaubwürdig für die Union als Ministerpräsidentenanwärter auftreten zu können, beantwortete der Chef der Hessen–CDU mit dem Hinweis auf die Entscheidungskompetenz des Bundeskanzlers. Für eine CDU/FDP–Regierung in Hessen sprach sich der FDP–Fraktionschef im Bundestag, Mischnik, aus. Sein Motto für den Wahlkampf heiße: „Befreit Hessen endlich vom rot–grünen Chaos“. Bei den Grünen im hessischen Landtag liefen bereits gestern die Vorbereitungen für den Landtagswahlkampf auf Hochtouren. Gegenüber der Landespressekonferenz stellte Ex–Minister Joschka Fischer noch einmal klar, daß die Grünen mit einer „doppelten Option“ in diesen Wahlkampf zu ziehen gedenken: „Fortsetzung der Koalition mit der SPD, falls tatsächlich eine neue Atompolitik gemacht werden kann. Andernfalls finden wir unseren Platz auf den Oppositionsbänken.“ Der Kampf der Grünen, so Fischer abschließend, gelte einem „wallmannfreien Hessen“. Den neuen Ministerpräsidentschaftskandidaten der SPD, Hans Krollmann, nannte Fischer - in Anspielung auf Johannes Rau - „Bruder Hans“.