Wer Khader heißt, ist schon fast ein Terrorist

■ Die US–Einwanderungsbehörde will ihre Visa– und Aufenthaltsbestimmungen für politisch aktive Araber in den USA verschärfen / In einem jetzt bekanntgewordenen Papier ist von Internierungen die Rede, falls in den USA terroristische Aktionen durchgeführt würden

Aus Washington Stefan Schaaf

Khader Musa Hamide, ein in Los Angeles lebender jordanischer Palästinenser, und seine aus Kenia stammende Frau wurden im Morgengrauen aus dem Schlaf gerissen. In Hand– und Fußschellen fanden sie sich kurz darauf vor einem Richter der US–Einwanderungsbehörde (INS) wieder, der ihnen eröffnete, daß sie mit ihrer Abschiebung zu rechnen hätten. Musa Hamide und seine Frau waren nicht die einzigen Opfer einer überraschenden Razzia der US– Polizei und -Einwanderungsbehörde; fünf weitere Palästinenser jordanischer Staatsangehörigkeit, darunter zwei Studenten, wurdem am Montag vor zwei Wochen festgenommen.Fünf von ihnen werden seitdem in einem Abschiebegefängnis in San Diego festgehalten. Die Beschuldigungen gegen die Gruppe sind fadenscheinig.Sie hätten gegen die Einwanderungsbestimmungen verstoßen, denen zufolge der Besitz umstürzlerischen Materials untersagt sei. Erst auf Nachfragen hin wurde etwas klarer, worum es INS und FBI gegangen war: Musa Hamide sei der Anführer der PFLP in Kalifornien, einer Organisation, deren Chef George Habash im April vergangenen Jahres, nach dem Bombardement Libyens durch US– Flugzeuge, mit Anschlägen gegen amerikanische Einrichtungen gedroht hatte. Das FBI hatte zehn Monate lang erfolglos gegen PFLP–Sympathisanten in den USA ermittelt. Die Einwanderungsbehörde war findiger, verfügt sie doch über einige Gesetze aus der Zeit des Kommunistenjägers McCarthy. Daß die Reagan–Administration nicht nur im Libanon bereit ist, eine harte Politik gegen Geiselnehmer und generell gegenüber radikaleren arabischen Organisationen einzunehmen, demonstrierte ein Dokument der Einwanderungsbehörde, das Ende der letzten Woche zwei Organisationen arabischstämmiger Amerikaner zugespielt wurde. Die „Nationale Vereinigung arabischer Amerikaner“(NAAA) machte das 41seitige Papier, in dem die mögliche Rolle und erweiterte Befugnisse der Einwanderungsbehörde bei der Abwehr „terroristischer Bedrohung“ umrissen werden, auf einer Pressekonferenz bekannt. Die Bemühungen des INS sollten sich dabei auf „bestimmte Nationalitäten und Bürger solcher Staaten, die bekanntermaßen Terrorismus unterstützen“, konzentrieren. Neben der noch restriktiveren Erteilung von Visa soll die Ausweisung illegal in den USA lebender „Aktivisten“ erleichtert werden. Für den Fall eines terroristischen Anschlags innerhalb der USA - die sogenannte „dritte Notfallstufe“ - existiert ein noch weitergehender Plan in den Köpfen der INS–Planer: Es sei nicht ausgeschlossen, daß dann in den USA lebende politisch aktive arabische Staatsbürger interniert würden, ähnlich wie während des Zweiten Weltkrieges mit in den USA lebenden Japanern verfahren würde. Gebaut wird bereits: „Die Einwanderungsbehörde plant die Erweiterung ihrer gegenwärtig 4179 Plätze“ auf mehr als das Doppelte. „Ein für Notfallmaßsnahmen vorgesehenes, 400.000 Quadratmeter großses Gelände steht zum Ausbau als Alternativstandort bereit. Der zentrale Teil, etwa 100.000 Quadratmeter, wird gegenwärtig gerodet. Wasser, Kanalisation, Gas und Elektriität können sofort angeschlossen werden. Auf dem Gelände könnten bis zu 5.000 Ausländer in provisorischen Quartieren untergebracht werden“. Die Einwanderungsbehörde erwägt also, bis zu 5.000 politisch aktive Ausländer auf einem Gelände von weniger als einem halben Quadratkilometer in Zelten unterzubringen, und das in Louisiana, im tiefsten amerikanischen Süden, dessen Sommer extrem heiß und schwül sind. Bei Bürgerrechtsorganisationen und den Interessenvertretungen arabischer US–Bürger riefen derlei Vorstellungen bittere Proteste hervor. David Sadd von NAAA sagte: „Wenn die Einwanderungsbehörde freie Hand erhält, ist es nicht mehr weit bis zur Internierung nach ethnischen Kriterien“. Nach der Einschätzung von Faris Bouhafa vom „Amerikanisch– Arabischen Antidiskriminierungskomitee“ (ADC) ist es der Reagan–Administration allerdings in der jüngsten Phase antiterroristischer Erregung nicht gelungen, eine breite Stimmung für militärische Schritte im Nahen Osten zu erzeugen. Die Glaubwürdigkeit der Administration sei zu angeschlagen. Doch in den USA lebende Palästinenser oder Araber können mindestens seit dem „Ölschock“ Anfang der siebziger Jahre ein Lied von den Folgen der offiziellen Verteufelungspolitik singen. Präsident Nixon autorisierte schon 1972 die sogenannte „Operation Felsen“, die die Überwachung arabischer Besucher, Studenten und Organisationen umfaßte. In den letzten beiden Jahren sind mehrfach Büros der ADC in Brand gesteckt worden, der regionale Leiter der Organisation in Los Angeles, Alex Odeh, wurde im Oktober 1985 ermordet. Abdeen Djabara, ein arabischstämmiger Anwalt aus Detroit, wurde seit 1972 vom FBI überwacht und focht mehrere Jahre lang vor Gericht gegen die Bespitzelung an. Und auch im Kleinen macht sich die Vergiftung des Klimas deutlich: Rema Simon, eine 23jährige Bibliothekarin libanesisch–französischer Herkunft, wurde im Mai letzten Jahres aus ihrem Flugzeug von Florida nach Boston geholt, als sie ein Buch über Palästina las. Nach langwierigen Befragungen durch Sicherheitsbeamte durfte sie ihren Platz wieder einnehmen - mit dem Hinweis, sie solle ihre Lektüre besser in der Handtasche lassen.