: Amerikas Sternenkrieger powern für SDI
■ Bereits Ende des Jahres soll laut US–Präsident Reagan mit SDI–Erprobungen begonnen werden / SDI–Befürworter fürchten angesichts der „Abrüstungswut“ Gorbatschows um Zustimmung der Bevölkerung / Weinberger: ABM–Vertrag „großzügig“ auslegen
Von Michael Fischer
Berlin (taz) -Die „Kalten–Sterne–Krieger“ in Washington bangen um ihr Lieblingsprojekt SDI. Mit so vagen Versprechungen wie der Errichtung eines atomaren Schutzschildes frühestens Ende dieses Jahrtausends, so fürchten die SDI–Manager, läßt sich das Publikum nicht mehr länger bei der Stange halten. Angesichts der neuen Mehrheitsverhältnisse im Kongreß und der nicht zu bremsenden „Abrüstungswut“ Gorbatschows muß dem SDI–skeptischen Publikum in den USA konkretes geboten werden. Deshalb ließ Reagan am Dienstag dem Kongreß mitteilen, er werde demnächst entscheiden, ob bereits Ende des Jahres mit der Erprobung sieben verschiedener SDI–Komponenten im Weltraum begonnen werden soll. Daß damit der 1972 als Teil von SALT I geschlossene, aber vom US–Kongreß nie ratifizierte Raketenabwehr–Vertrag zwischen der Sowjetunion und den USA hinfäl lig wäre, wird von Reagans Scharfmacher in Kauf genommen. Schon seit Wochen rührt Pentagon–Chef Weinberger die Werbetrommel mit der Erklärung, daß dank überraschender Testerfolge die ersten Systeme bereits 1993–94 stationiert werden könnten. Außerdem kündigte Weinberger für Anfang März eine Liste von Versuchen an, die bei einer strikten Auslegung des ABM–Vertrags verboten, bei einer „erweiterten Interpretation“ allerdings möglich wären. Obwohl die Reagan– Regierung schon seit 1985 die „weite“ Auslegung als die richtige Interpretation des Raketenabwehrvertrags bezeichnet, hat sie doch erst in letzter Zeit begonnen, das Ende auch dieses Rüstungskontrollabkommens propagandistisch vorzubereiten. In der Erklärung an den Kongreß gab Reagan auch zum ersten Mal offiziell zu, daß die unterirdischen Atomtests der letzten Zeit unter anderem zur Erforschung möglicher nuklearer Komponenten von SDI dienen. Experten der Friedensbewegung weisen schon seit Jahren darauf hin, daß ein Teil der US–Tests der Erforschung von atomar angetriebenen Röntgenlaser und Mikrowellenwaffen dient. Dies sei auch einer der Gründe, warum die USA den Vorschlag eines Atomteststopps strikt ablehnten. Die Erklärung der US–Regierung, eine großzügige Auslegung des ABM–Vertrags sei „voll gerechtfertigt“, hatte jedoch auch ihren strategischen Sinn im Rüstungspoker. Gorbatschow, der sich erst am Montag zum Verzicht auf den Status einer Atommacht bereiterklärt hatte, sollen seine Abrüstungsflausen endgültig ausgetrieben werden. Der sowjetische Parteichef hatte in seiner Rede vor dem Moskauer Friedensforum erklärt, Versuche der USA, den ABM–Vertrag durch eine „weite“ Interpretation zu unterhöhlen, verstießen gegen den Geist der Abmachungen, auf die er sich mit Reagan in Reykjavik geeinigt habe.
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